DOSB-Präsident Thomas Weikert, IOC-Chefin Kristy Coventry und Sportministerion Christiane Schenderlein. © DOSB
München – Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ist nun offiziell „Interessent“ für die Ausrichtung der Sommerspiele. Ein entsprechendes Papier überreichte Präsident Thomas Weikert (62) jüngst persönlich in Lausanne Kristy Coventry (42). Die neue Chefin des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zeigte sich dabei erfreut über das deutliche Referendum in München (66,4 Prozent) – bis Deutschland aber den Zuschlag für 2036, 2040 oder 2044 erhalten könnte, ist es noch ein weiter Weg.
Der nächste kleine Schritt soll am Samstag auf der DOSB-Mitgliederversammlung erfolgen, wenn über den Prozess der Kandidaten-Findung abgestimmt wird. Kam noch 2003 ein verhältnismäßig oberflächlicher Fragenkatalog zum Einsatz, hat der DOSB jetzt eine ausgeklügelte Matrix entworfen, mit der die vier Bewerber (München, Berlin, Hamburg, Rhein-Ruhr) bewerten werden sollen – Zustimmung vorausgesetzt.
Geplant ist dafür eine sechsköpfige Evaluierungskommission aus DOSB-Präsidium (2), Spitzenverbände (2) und Politik (2). Die Athletenkommission, der Deutsche Behindertensportverband und die Landessportbünde wären außen vor. Insbesondere die letztgenannten könnte aufbegehren, wenngleich eine wohl nötige Satzungsänderung keine Mehrheit finden dürfte. Neben der Evaluierungskommission darf auch jeder Spitzenverband für sich bewerten – etwas weniger gewichtet.
Eine unumgängliche Voraussetzung für alle Bewerber ist ein positives Referendum. Hier hat München vorgelegt, Rhein-Ruhr (19. April) und Hamburg (31. Mai) wollen nachlegen. Da in Berlin die Zeit dafür nicht reicht, bzw. die Landesverfassung kein Referendum vorsieht, entscheidet dort das Abgeordnetenhaus. – in der Matrix niedriger gewichtet. Ein Nachteil. Die Kosten spielen keine entscheidende Rolle. Aktuellen Berechnungen zufolge liegen aber alle vier Konzepte in etwa auf dem Niveau von Paris 2024 – 4,5 Milliarden Euro.
Letztmöglicher Termin zur nationalen Unterlagen-Einreichung ist der 4. Juni. Danach wird evaluiert. Der dabei alles überstrahlende Faktor sind die „internationale Chancen“. Knifflig: Das IOC verkündet erst am Olympic Day (23. Juni) ihre neue Ausrichtung – also nach (!) der nationalen Frist. Beim DOSB geht man aber davon aus, dass durch den bis dahin regelmäßigen Dialog keine Überraschungen auftauchen.
Die finale deutsche Entscheidung fällt am 26. September. Der Clou: Die Evaluierungskommission kann, muss aber keinen Kandidaten vorschlagen. Und: Alle Städte (sofern Bürgerzustimmung und grünes Finanz-Licht) stehen zur Wahl. Die Mitglieder könnten theoretisch also das Konzept mit den wenigsten Punkten wählen. Passiert eh nicht? Nun ja, beim letzten deutschen Versuch 2003 war Leipzig strahlender Sieger – obwohl andere besser bewertet waren. Die Quittung folgte, das IOC strich Leipzig schon bei der Vorauswahl – London (2012) triumphierte.
Wer hat also international Chancen? Für Rhein-Ruhr dürfte es schwer werden, auch weil im Konzept viel Chaos herrscht. Auch Hamburg hat nicht genug Flair für die ganz große Bühne. München mit dem Vermächtnis von 1972 schon. Berlin, die Hauptstadt, natürlich auch. Aber eine große Unterstützung der Bevölkerung deutet sich dort derzeit nicht an.
Wer ist die Konkurrenz? Nicht Indien und nicht Katar, denn in den Jahren, wenn die Spiele nicht auf dem europäischen Kontinent stattfinden, ist eine deutsche Bewerbung eigentlich obsolet. Aber wenn Europa dran ist, muss der DOSB Kaliber wie Madrid, Istanbul oder Budapest ausstechen.MATHIAS MÜLLER