Lublin/München – Isabel Gose war selbst „etwas geschockt“ über ihren Europarekord über die 400 m Freistil bei der Kurzbahn-EM in Lublin. Dem Deutschen Schwimm-Verband (DSV) bescherte sie in Polen einen goldenen Start. Olympiasieger Lukas Märtens erschwamm zudem Silber – die Magdeburger Trainingsgruppe hatte wieder einmal geliefert.
Dem Team unter der Führung von Bundestrainer Bernd Berkhahn ist es zu verdanken, dass sich die DSV-Medaillen-Bilanz zuletzt bei Großevents durchaus ordentlich liest – gemessen an den medaillenlosen Spielen 2012 in London. Die Diagnose dort: Keine Erfolge, keine Talente, keine Trainer. „Wir haben zuletzt mehr Karpfen als Delfine gesichtet“, sagte der damalige DSV-Sportdirektor Lutz Buschkow.
Und heute? Alles anders. Vor allem dank Gose und ihrer Clubkollegen Märtens und Florian Wellbrock – aber auch Einzel-Granaten wie Melvin Imoudu (Olympia-Vierter) oder Anna Elendt (Weltmeisterin), die in Lublin quasi im Vorbeigehen – die 24-Jährige musste sich „zwischen den Rennen einloggen und arbeiten“ – Gold über die 200 m Brust gewann. Der DSV durfte sich am Ende über neun Medaillen und Platz vier im Nationenranking freuen.
Auf Nachhaltigkeit fußen diese Erfolge bisher allerdings nicht, dafür reichen die vorhandenen Strukturen bislang nicht aus. Das soll sich mit dem neuen Schwimmzentrum in Magdeburg (Kosten rund 51 Millionen Euro, Fertigstellung wohl nicht vor 2028) in den kommenden Jahren ändern. „Es soll unser Dreh- und Angelpunkt werden“, sagt DSV-Chef Jan Pommer unserer Zeitung. Ein Ort, an dem sich „die Exzellenzen ausprägen können.“
Individuelle Wege, wie den von Elendt in den USA, soll es laut Pommer weiter geben. „Es gibt keine Schablone, die für jeden Athleten passt. Einer will eine neue Kultur kennenlernen, jemand anderes fühlt sich zu Hause am wohlsten. Es muss beide Wege geben.“ Was Pommer nicht will, ist den Nachwuchs zu früh aus ihrer behüteten Umgebung zu reißen. Deswegen brauche man „eine flächendeckende Verteilung“ in ganz Deutschland. „Ein 14- oder 15-jähriges Kind kann man nicht von Berchtesgaden nach Hamburg schicken.“
Dennoch soll sich niemand damit „zufriedengeben, was im eigenen Sprengel“ geschieht. Daher das geplante Anlaufzentrum in Magdeburg, in dem sich die besten Psychologen, Wissenschaftler und Trainer zusammenfinden sollen. „Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass wir zuletzt so erfolgreich waren. Aber das soll keine Ausnahme bleiben, sondern Dauerzustand.“
Olympia 2028 in Los Angeles sei auf diesem Weg noch ein „Zwischenschritt“, ab 2040 soll Deutschland wieder dauerhaft die Top 5 erreichen. Aus dem „großen Fundament“ der Sportart sollen sich dafür künftig „möglichst viele nach oben entwickeln“. MATHIAS MÜLLER