„Du trägst Grün – und hasst Benfica“

von Redaktion

Ex-Handballer Jens Schöngarth über das Innenleben des Bayern-Gegners Sporting Lissabon

Fühlte sich wohl in grün: Schöngarth. © imago

Ekstase bei Sporting: Vor allem bei den Lissaboner Derbys geht es emotional zu. © Rogowski/IMAGO

München – Er war einer der Dauerbrenner der Handball-Bundesliga. Zwölf Jahre lang spielte Jens Schöngarth in der besten Liga der Ballwerfer. Bis den Mann, der heute beim japanischen Konzern OSG die Abteilung für Dental- und Medizintechnik verantwortet, der Ruf von Sporting Lissabon ereilte. Im Interview liefert der Ex-Nationalspieler, der seit Sonntag 37 Jahre alt ist, einen etwas anderen Blick auf den nächsten Gegner des FC Bayern.

Herr Schöngarth, der FC Bayern spielt am Dienstag gegen Sporting Lissabon. Das dürfte bei Ihnen Erinnerungen wecken…

Zuallererst denke ich da an die Geburt meiner Tochter. Sie ist in Lissabon zur Welt gekommen. Aber auch die Zeit bei Sporting war für mich und unsere Familie eine unglaubliche Erfahrung. Lissabon ist eine sehr lebenswerte Stadt mit tollen Menschen. Dazu ist ein Engagement bei einem Club wie Sporting Lissabon natürlich außergewöhnlich, weil dieser Verein in Portugal so eine ungeheure Strahlkraft hat. Mich macht das stolz, ein Teil davon gewesen zu sein. Ich kann das mit keinem Verein vergleichen, weil die Menschen derart für Sporting brennen.

Wie äußert sich das?

Sporting hat eine Power tief ins Leben. Wenn du zum Beispiel von Champions-League-Reisen zurückkommst und du triffst auf diese Flughafenmitarbeiter mit den gelben Warnwesten, dann sind die dir in die Arme gefallen, weil sie sich so sehr freuen, dich als Sporting-Spieler zu sehen. Die sind so emotionalisiert mit diesem Verein. Das zu sehen, macht etwas mit dir.

Und wenn in der Weste ein Benfica-Fan steckt?

(lacht) Das passiert auch, klar. Dann gibt es einen Spruch und sie würden am liebsten die Türe wieder zumachen. Das ist auch so ein Teil dieser Emotionalisierung. Ich erinnere mich noch an unseren Physiotherapeuten Pedro Silva. Das war einer der ersten, zu dem ich einen richtig engen Draht hatte. Den habe ich mal gefragt: ,Wieso bist du eigentlich Sporting-Fan geworden?` Er meinte, er hat als kleiner Junge seinem Vater die gleiche Frage gestellt. Und die Antwort bekommen: ,So eine Frage stellt man nicht, wenn du es dir anders überlegen willst, kannst du dir gerne eine andere Familie suchen.‘ Du wächst da damit auf, entweder Sporting oder Benfica-Fan zu sein.

Kann man das in der Stadt verorten? Gibt es Hochburgen?

Auf jeden Fall. Benfica ist ja sogar ein eigener Stadtteil, in dem auch das Stadion „da Luz“ liegt. Sporting stammt aus dem Viertel Alvalade. Die beiden Stadien sind ja tatsächlich nur durch die Stadtautobahn getrennt. Das sind vielleicht 800 Meter Luftlinie. Bei Derbys hast du dann höchste Sicherheitsstufe und versuchst mit Polizeibegleitung diese 800 Meter zu überbrücken. Beim Handball fliegen Bengalos durch die Halle – das kann man sich kaum vorstellen. Ich habe ja in Flensburg und Magdeburg gespielt. Das sind ja die vielleicht stimmungsvollsten Hallen der Welt. Aber was da bei Sporting gegen Benfica abgeht, das toppt einfach alles.

Was macht das mit dem kühlen Mitteleuropäer?

Das ist ja das Lustige. Du meinst, du kommst als Deutscher nach zwölf Jahren in der Bundesliga, der stärksten Liga der Welt, in so ein kleines Handballvölkchen – und bist sofort davon erfasst. Du ziehst das grüne Trikot über und hasst Benfica.

Wie wirkt sich das auf das Leben in der Stadt aus?

Du wirst schon erkannt. Weil die Leute alles lieben, was Sporting heißt. Du bist nicht Fußballfan, du bist Sporting-Fan. Ich bin ja gerade bei Champions-League-Spielen öfter mal zum Fußball gegangen. Da kommst du automatisch mit den Fans ins Gespräch. Wir haben ja sehr schnell Portugiesisch gelernt.

Hat ihre Tochter eigentlich einen portugiesischen Namen?

Sie heißt tatsächlich Lisa, weil sie in Lissabon geboren wurde. Übrigens ausgerechnet im Stadtteil Benfica. In Sichtweite des Benfica-Stadions. Darf man vielleicht nicht so laut sagen. Sie hat übrigens auch einen portugiesischen Pass. Der ist ja auch nicht das schlechteste, wenn du in der Weltreisen willst. Wobei sich Lissabon im Pass schon gut macht. Bei mir steht Emmendingen (lacht).

In meinem Rosenheim… es klingt, als ob sie stark in ihre damalige Wahlheimat eingetaucht sind.

Ja, würde ich schon sagen. Es war uns sehr wichtig, auch im Land viel zu reisen. Das haben wir gemacht, soweit es mit dem Spielplan möglich war. Dabei haben wir uns nebenbei übrigens auch in das portugiesische Essen verliebt. Und wir haben auch viele Freunde gefunden. Mit vielen habe ich bis heute Kontakt. Man will ja auch sein Portugiesisch pflegen.

Wie war es im Verein selbst? Sporting ist ja auch ein Großverein mit zahlreichen Sparten. Wie ist das Miteinander?

Das ist schon eine Familie, ganz egal ob Volleyball, Basketball, Futsal oder Hallen-Hockey. Man hat in alle Richtungen einen guten Umgang. Auch mit den Fußballern hatten wir viel Kontakt, auch wenn der Fußball-Campus ja auf der anderen Seite des Tejo liegt, während unsere Trainingsanlagen im Fußballstadion waren. Einige von den Jungs sind auch zu uns in die Halle gekommen. Da waren schon interessante Namen dabei. Joao Palinha, Pedro Goncalves auch Gyökeres oder Nuno Mendes, der dann für viel Geld nach Paris gegangen ist. Das Modell des Clubs ist klar: Spieler ausbilden und teuer verkaufen. Luis Figo war ja dort, auch Rui Patricio. Wobei der Verein aber natürlich Cristiano Ronaldo lebt und atmet. Der ist allgegenwärtig. Das ist fast ein Heiliger in Portugal. Im Vereinsmuseum ist vieles von ihm, die Trainingsanlagen tragen seinen Namen.

Haben Sie ihn auch getroffen?

Leider nicht Hätte ich gerne. Nicht weil ich der große Fanboy bin. Aber er ist eine Persönlichkeit, mit der ich mich gerne mal ausgetauscht hätte. Er hat ein Penthouse in der Stadt. In Cascais, das ist eine Hafenstadt. vielleicht 30 Kilometer von Lissabon, hat er sich ein Anwesen gekauft, wo er später mal wohnen will. Meine Schwester ist ja großer Cristiano-Fan, mit ihr bin ich da mal hingefahren. Er ist zwar immer wieder in der Stadt, aber persönlich hat es sich leider nie ergeben. Seine Mutter ist immer wieder im Sporting-Stadion.

Und wenn nun Sporting zum FC Bayern kommt. Für wen schlägt das Herz?

Ich erwische mich schon immer wieder dabei, dass ich nachgucke, wie die Sporting-Fußballer eigentlich gespielt haben. Wenn es dann so ein Spiel gibt, dann freue ich mich schon darauf. Das will ich schon sehen. Aber insgesamt bin ich schon eher patriotisch veranlagt. Da freue ich mich schon eher für den FC Bayern. Ich bin ja sehr gespannt, das ist schon sehr beeindruckend, wie die gerade spielen. Ich bin ja leidenschaftlicher SC-Freiburg-Fan…

Da spricht das gebrannte Kind…

(lacht) Ohja, 2;0 geführt und noch 6:2 verloren. Das ist wirklich unglaublich.

INTERVIEW: PATRICK REICHELT

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