Weltmeister! McLaren-Pilot Lando Norris. © Davies/dpa
Abu Dhabi – Irgendwann inmitten der Titelparty von Abu Dhabi musste auch der „nice guy“ mal nein sagen. Lando Norris hatte gerade den ewigen Endgegner Max Verstappen besiegt, nun sollte er über seinen Platz zwischen all den großen Weltmeistern der Formel 1 sprechen. „Es ist mir egal“, sagte der McLaren-Pilot, „ordnet mich ein, wo ihr wollt. Ich wache morgen früh nicht auf und sage: Wow, ich habe Max geschlagen. Das ist mir, in meinem tiefsten Innern, völlig egal.“
Und damit war dieser neueste Champion der Königsklasse tatsächlich sehr treffend beschrieben. Michael Schumacher, Sebastian Vettel, Lewis Hamilton und zuletzt Verstappen hatten vor ihm jeweils eine Ära geprägt, geholfen hatte ihnen dabei nicht zuletzt eine ausgeprägte Ellbogen-Mentalität – bei Norris ist eine solche nicht zu erkennen. „Ich bin glücklich, weil ich den Titel auf meine Weise gewonnen habe“, sagte der 26-Jährige: „Ich habe nicht versucht, so aggressiv wie Max zu sein oder so energisch wie andere Champions.“
Er habe den Titel „auf die Lando-Art“ geholt, und das ist auch in anderer Hinsicht ein Sieg für Norris. Denn immer wieder wurde ihm in den vergangenen zwei Jahren das Rüstzeug für den Titelkampf abgesprochen, diese Kritiker hat er nun widerlegt. Er habe „eine Million Zweifel“ zerstreut, gab die englische Daily Mail zu, es sei „der Triumph eines Piloten, der seine Schwächen offen zugibt“, kommentierte die L‘Equipe in Frankreich: „Lando Norris ist ein menschlicher und berührender Champion.“
Gerade Verstappen ist ein anderer Typ Rennfahrer, und in Norris‘ Heimat freute sich das Boulevardblatt The Sun bereits auf ein Duell der Gegensätze. „Der nette Lando Norris und der bedrohliche Max Verstappen könnten den Fans eine Rivalität für die Ewigkeit bieten.“ Ob Norris in seiner Karriere aber überhaupt noch mal die Chance auf einen Titel bekommen wird, ist völlig offen – und das liegt nicht an seinen Fähigkeiten.
Am Sonntagabend in Abu Dhabi wusste schlicht kein Pilot, wie stark sein Auto 91 Tage später sein wird. Am 8. März beginnt in Melbourne die neue Saison, dazwischen liegt eine Regel-Änderung, die mitunter als die größte der Formel-1-Geschichte bewertet wird. Neue Hybrid-Antriebe – fast die Hälfte der Leistung kommt aus den Elektromotoren – werden in neue Autos eingebaut. Jedes Team startet also tatsächlich bei null.
Und so ist unklar, ob McLaren erneut ein Siegerauto bauen wird. Verstappen beschrieb in Abu Dhabi den „Glauben und die positive Energie“ bei Red Bull. Aber auch der Niederländer bekommt einen neuen Boliden – und den neuen Motor entwickelte Red Bull erstmals selbst, es wirkt unwahrscheinlich, dass dabei direkt der beste Antrieb gelungen ist. Mercedes und Ferrari wird grundsätzlich mehr zugetraut, und auch die großen Werksteams haben ja potenzielle Weltmeister in ihren Autos.SID