Gernot Mang und Manfred Paula © Sampics
Bayerische-Boss: Martin Gräfer. © Wagner/Imago
Ständiger Streitpunkt im Löwenkosmos: Das altehrwürdige, aber auch in die Jahre gekommene Grünwalder Stadion. © Feil/Imago
Turbulente Jahre liegen hinter 1860 München. Immer dabei seit 2016: Hauptsponsor „die Bayerische“. Die Versicherung zahlt den Löwen jährlich Zweitliga-taugliche Beträge für die Werbung auf der Trikotbrust. Der Vorsitzende Martin Gräfer wünscht sich eine langfristige Strategie beim TSV 1860, brachte in einem Post vergangene Woche auch den Wunsch nach einer Mitgliederbefragung zur Zukunftsausrichtung des Clubs zum Ausdruck. In unserer Zeitung spricht er jetzt über die Hintergründe, seine Wünsche für die Zukunft und die vielen Personalwechsel bei den Löwen.
Herr Gräfer, kommen wir direkt zur Sache: 1860-Präsident Gernot Mang zeigte sich vergangene Woche öffentlich „irritiert“ von Ihrem Post in den Sozialen Medien…
Irritationen entstehen schnell, wenn Themen offen angesprochen werden. Für mich war der Beitrag kein Angriff, sondern ein Impuls, der den Blick stärker auf die strukturellen Fragen lenken soll, die für die Zukunft des Vereins entscheidend sind. Wer den Post als Ganzes liest, erkennt auch, dass darin viel Wertschätzung steckt und das klare Angebot, sich einzubringen. Und dieses Engagement zeigen wir seit Jahren und nicht nur in Worten: Auch Anfang des Jahres haben wir zusätzlich 50 000 Euro für das NLZ bereitgestellt. Auch für die Gewinnung neuer Spieler haben wir Anfang des Jahres einen Beitrag geleistet und sind auch wieder Namenssponsor des NLZ, nachdem der vorherige Sponsor ausgeschieden ist.
Worauf soll denn der Fokus bei den Löwen Ihrer Meinung gerichtet werden?
Wir müssen weg vom „Fahren auf Sicht“ hin zu einem strategischen Plan. Und ich meine keinen Plan, der nur bis zum nächsten Spieltag reicht, sondern einen, der uns über Jahre trägt. Mit vielen Stakeholdern. Das kann man mit Fans machen, aber auch mit allen anderen Beteiligten, die den Profifußball finanzieren. Der sollte von der breiten Mehrheit getragen werden. Das muss von den Gesellschaftern ausgehen, aber auch die Sponsoren müssen stärker mit eingebunden werden. Eine sehr gute Basis dafür gab es bereits, mit Marc-Nicolai Pfeifer waren wir damals relativ weit, auch mit Christian Werner hatten wir viele Gespräche in diese Richtung. Dass solche Entwicklungen durch häufige Wechsel ins Stocken geraten sind, zeigt, wie wichtig ein verlässlicher Rahmen wäre.
Frisch in Erinnerung ist noch die Entlassung Werners Ende September. Wie haben Sie die miterlebt?
Wir waren völlig überrascht, weil wir mit Christian Werner einen engen und guten Austausch hatten. Im Übrigen auch schon lange vor seiner Berufung als Geschäftsführer. Personalentscheidungen liegen selbstverständlich bei der Geschäftsführungsgesellschaft und damit den Gesellschaftern, das respektieren wir. Nur habe ich in vergleichbaren beruflichen Situationen die Erfahrung gesammelt, dass eine frühzeitige Einbindung wesentlicher Geschäftspartner bei derartigen Entscheidungen sehr professionell wirkt. Auf unsere Nachfrage hin wurden uns die Beweggründe geschildert, die wir nicht bewerten wollen. Dennoch bin und bleibe ich optimistisch, dass sich hier eine gute Entwicklung zeigen kann.
Wieso?
Ich habe das Vertrauen ins Präsidium, dass es richtigerweise keine Schnellschüsse plant. Ich habe die Hoffnung und wir erwarten aber zugleich, dass es ein strategischer Ansatz wird. Dann muss es nicht wahnsinnig schnell gehen. Manfred Paula ist kein Unbekannter, er kennt die Löwen sehr gut. Operativ dürfte es ordentlich funktionieren.
Ein weiteres Dauerthema ist das Grünwalder Stadion. Das Präsidium hat klar gemacht: 1860 setzt alles auf die Karte Giesing!
Die Mitglieder müssen sich nur positionieren: Wenn sie sagen, sie wollen, dass 1860 sich in der 3. Liga professionalisiert und eventuell mal in der Zweiten Bundesliga halten will, könnte das auch im Grünwalder Stadion funktionieren. Möchte man langfristig in der Zweiten Bundesliga um den Aufstieg mitspielen, wird das in Giesing wohl nicht funktionieren, sofern sich Rechtslage und Meinung der Stadt nicht grundlegend verändern. Wenn nun Einigkeit zwischen Stadt und Verein besteht, dass das Stadion und der erforderliche Umbau von 1860 übernommen werden kann, dann bleibt diese Frage aber dennoch zentral: Wie finanziert man konkret einen angemessenen Umbau, so dass das Stadion den Anforderungen für Profifußball auch in oder oberhalb der zweiten Liga genügt?
Also drehen wir uns weiter im Kreis? Kein Vorankommen in der Stadionfrage gleich sportliche Bedeutungslosigkeit?
Wenn das Ziel bei 1860 München ist, professionell Fußball zu spielen in der ersten oder zweiten Liga, muss man auch die Ausgangsvoraussetzungen dafür schaffen. Ich freue mich, dass hier sowohl von Seiten der Stadt als auch vom Verein viel Optimismus besteht. Ansonsten wird es schwierig, dieses Ziel realistisch zu verfolgen. Das ist ungefähr so, als würde ich sagen, dass ich den Kilimandscharo besteigen will – aber ich gar nicht erst hinfliege. Das würde nicht zusammenpassen. Anfang kommenden Jahres wird es eine Umfrage geben. Diese wird ein unabhängiges Institut durchführen. Warum machen wir das als Sponsor? Wir möchten besser verstehen, wie die Menschen den Verein sehen und welche Erwartungen sie haben – das hilft auch uns, unser Engagement gezielt auszurichten. Wir sind kein Mäzen, sondern wollen als Sponsor auch eine Werbewirkung erzielen. Die Befragung durch das Institut wird sowohl online als auch auf der Straße erfolgen. Bei der Erstellung des Fragenkataloges wollen wir unabhängige Experten einbeziehen.
Gab es seit Ihrem Post vergangene Woche Kontakt zu Gernot Mang?
Wir sehen uns regelmäßig zu den Spielen und darüber freue ich mich immer sehr. Allerdings ruht die regelmäßige Kommunikation, in der wir wichtige Themen besprechen, seit dem Wechsel in der Geschäftsführung. Mit Herrn Paula gab es bis auf ein kurzes Zusammentreffen bei einem Heimspiel keinen tiefergehenden Austausch. Deshalb haben wir jetzt die Initiative ergriffen und ihn offiziell eingeladen.
Im Sommer 2026 feiert die Bayerische zehnjähriges Jubiläum als Hauptsponsor der Löwen. Gibt es Wünsche?
Eine gut angelegte Strategie und breite Einbindung der Mitglieder. Damit würde auch das Lagerdenken ein Stück weit aufhören und es würde nicht hinter jeder Idee ein Feind vermutet werden.
INTERVIEW: MARCO B. UCLES