Zu schwer für den Eiskanal?

von Redaktion

Olympia-Traum geplatzt – Junioren-Weltmeisterin Hansova flog aus dem Nationalkader

… ein großes Problem für die 1,78 Meter große Athletin, die im Sommer Muskelmasse aufgebaut hat. © Heilwagen/Imago

Maximal 102 Kilogramm darf Viktoria Hansova zusammen mit ihrem Schlitten wiegen … © Prössdorf/Imago

München – Christian Baude hat das Gespräch diese Woche schon gesucht. „Ich habe mit Viktoria telefoniert“, sagt der Bundestrainer der deutschen Skeleton-Fahrer. Denn natürlich war das Thema, das in den vergangenen Tagen aus dem Eiskanal an die Öffentlichkeit gedrungen ist, auch in Lillehammer angekommen – also dort, wo die Weltbesten ihrer Sportart am Wochenende um Weltcup-Punkte fahren, Viktoria Hansova aber nicht. Die Junioren-Weltmeisterin steht in der olympischen Saison nicht im BSD-Kader, und die Umstände darüber hatten die 21-Jährige derart verärgert, dass sie sich in einem umfassenden Interview Luft verschafft hat. Tenor: Ich bin zu dick für Olympia.

Baude nimmt sich Zeit für das Gespräch mit unserer Zeitung, denn es ist ihm wichtig, sagt der Chefcoach, dass die Aussagen so nicht stehenbleiben. Sie lasen sich in der „Welt“ schon heftig, unter anderem sagte Hansova über die Weltcup-Qualifikation im Spätherbst in Lillehammer: „Ich war zittrig, kraftlos, meine Beine fühlten sich leer an. Und dann passieren diese absurden Gedanken, weil man verzweifelt nach „Einsparpotenzial“ sucht.“ 102 Kilogramm dürften Sportlerin und Schlitten gemeinsam wiegen, diese Regel wurde nach den Olympischen Spielen 2018 und dem Sieg der Elisabeth Yarnold (Großbritannien) verabschiedet. Und große Sportlerinnen – wie die 1,78 Meter gewachsene Hansova sowie die Olympiazweite Jacqueline Pfeifer (1,80 Meter) – haben so natürlich Nachteile. Im Schnitt wiegt der Schlitten zwischen 29 und 37 Kilo. Viel mehr als 70 Kilogramm auf der Waage kann man sich also nicht erlauben. Wird Skeleton zum zweiten Skispringen?

Hansova kam mit 76 Kilogramm aus dem Sommer, extrem kräftig und athletisch. Und auch wenn Baude sagt, „Wir haben uns gut auf die neuen Regeln eingestellt und inzwischen Material, das leicht und trotzdem schnell ist“, fühlt sich das Nachwuchs-Talent um die Olympia-Chance betrogen. Mit ein wenig Vorlauf hätte man Bausteine im Schlitten gegen leichtere Modelle tauschen können, kurzfristig aber gehe das natürlich nicht, erklärt Baude. Und so versuchte Hansova mit allen Mitteln, kurzfristig Gewicht abzubauen. Sogar den Sport-BH zog sie am Ende aus, aber Topleistung konnte sich geschwächt nicht bringen. Jetzt fährt sie im Europacup – aber da immerhin sehr erfolgreich: Zuletzt stellte sie in Altenberg einen Bahnrekord auf.

Baude sagt über die Aussagen der Thüringerin: „Das ist ihrer Unerfahrenheit und ihrem jungen Alter geschuldet.“ Aber er will die umstrittene Gewichtsregel nicht kleinreden. Zweimal hat der deutsche Verband seit 2018 schon versucht, sie zu kippen und das Höchstgewicht um drei Kilogramm auf 105 zu erhöhen. Man scheiterte – und nahm die neuen Gegebenheiten an. Baude bestätigt, „dass es für die großen Mädels schon schwierig ist, wenn sie Muskelmasse aufbauen“. Aber er unterstreicht den Fairness-Gedanken: Masse mal Beschleunigung ist Geschwindigkeit, dem Trend musste man entgegen wirken. Und theoretisch haben die schwereren Athletinnen ja die Möglichkeit, den Schlitten noch leichter bauen zu lassen. Ein Mindestgewicht gibt es (anders als die Höchstgrenze) nicht.

Oftmals ist es eine Gratwanderung, „was aber gar nicht geht“, sagt Baude, „ist, dass die Sportlerinnen hungern müssen. Das ist weder leistungs- noch gesundheitsfördernd“. Vielmehr muss die individuelle für die Athletinnen im Grenzbereich in einer Mischung aus „abgestimmten Training und Ernährungsberatung“ liegen. Auch Hansova ist nach der Massephase nun wieder im „grünen Bereich mit genügend Puffer“. Und Pfeifer hat den ersten Weltcup der Saison vor zwei Wochen auf der Olampiabahn von Cortina d‘Ampezzo sogar gewonnen. Ein Ansporn für die Junioren-Weltmeisterin, der der Bundestrainer für die Zukunft prognostiziert, „die Alten auch mal schlagen zu können“. In Cortina nicht, aber vielleicht in den Französischen Alpen 2030. Das hat er ihr auch im persönlichen Gespräch mitgeteilt. HANNA RAIF

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