Leon Goretzka
Leon Goretzka hat bei den Fans des FC Bayern mit einer ungewöhnlichen Aktion für Aufsehen gesorgt. Der Mittelfeldspieler löschte auf Instagram fast alle Fotos mit Bezug auf seinen Verein. Möglicher Grund: heftige Kritik zahlreicher Fans in den sozialen Medien. Gerade im Internet kennen Menschen keine Grenzen. Unsere Zeitung sprach mit Sportpsychologen Matthias Herzog über die Problematik.
Herr Herzog, warum haben Leute keine Hemmungen?
Die Menschen sitzen in ihrer Komfortzone – und plötzlich ist jedes Mittel recht, um Frust abzubauen. Viele sind mit ihrem eigenen Leben unzufrieden. Der Fußballer wird dann zur Projektionsfläche: Neid auf Geld, Einfluss und Bekanntheit trifft auf persönliche Leere.
Von Angesicht zu Angesicht würden die Menschen ihre Wut so nicht kundtun.
Anonymität schafft eine Illusion von Macht – plötzlich fühlt sich jemand am Handybildschirm überlegen, obwohl er im Stadion nie den Mut hätte, den Spieler direkt anzusprechen. Es geht vielen nicht mehr um Fußball, sondern um Frustabbau. Hinzu kommt: In sozialen Medien wird das Gefühl verstärkt, dass jeder zu allem etwas sagen muss. Und je extremer die Meinung, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt man. Leider wird daraus oft ein Teufelskreis aus Provokation und digitalem Dauerfeuer.
Bringt es etwas, den Account bzw. Bilder zu löschen oder die Kommentarfunktion auf dem eigenen Profil auszustellen?
Kurzfristig kann das ein sinnvoller Schritt zur Entlastung sein. Doch langfristig ist es keine Lösung. Aus mehreren Gründen. Erstens: Der Hass bleibt, auch wenn er unsichtbar ist. Zweitens: Hass darf nicht siegen. Wir brauchen klare Regeln. Wer online hetzt, muss strafrechtlich verfolgt und konsequent bestraft werden. Drittens: Viele Profis nutzen ihre Reichweite für wichtige Themen wie Charity. Und nicht zu vergessen: Sponsorendeals sind oft an Reichweite gekoppelt. Wer offline ist, verliert Sichtbarkeit – und damit auch Einnahmen.
INTERVIEW: PHILIPP KESSLER