Lieblingszahl oder Nazi-Code? Der Kroate Mario Pasalic spielte bei Atalanta Bergamo mit der umstrittenen 88. © IMAGO
Berlin – Sollte eine Rückennummer verboten werden, weil sie ein beliebter Code von Rechtsextremen für „Heil Hitler“ ist? Özgür Özvatan will weiter gegen Widerstände dafür kämpfen, dass die 88 im Berliner Fußball nicht mehr getragen werden darf. „Ich habe nach dem Verbandstag die Botschaft gegeben, dass ich diesen Antrag wieder einbringen werde“, sagt der Vizepräsident für gesellschaftliche Verantwortung des Berliner Fußball-Verbandes (BFV) der DPA.
Bei ihrer Versammlung hatten die anwesenden Clubs aus der Hauptstadt Ende November nach einer emotionalen Diskussion erneut mehrheitlich gegen das Verbot gestimmt und damit eine bundesweite Debatte ausgelöst. Die Zahlenfolge ist unter Nazis der getarnte Hitlergruß – das H ist der achte Buchstabe im Alphabet.
Zahlreiche Anträge des BFV-Präsidiums wurden an dem Tag laut Özvatan ohne größere Diskussionen angenommen, nur bei der Rückennummer 88 gab es Widerstand. „Ein Vertreter von Germania 1888 hat sich gemeldet und gesagt, dass sie einer der traditionsreichsten Vereine Deutschlands sind mit einer großen Historie. Teil der Historie ist eben, dass sie 1888 gegründet wurden“, erklärt der Sozialwissenschaftler, der seit 2024 ehrenamtlich im BFV-Präsidium sitzt. „Das macht durchaus Sinn, ändert aber nichts an der Situation, dass wir nicht den Vereinsnamen ändern wollen, sondern die Rückennummer verbieten wollen“, sagt der 40-Jährige.
Der Antrag, zur Rückennummer 88, scheiterte mit 48:52 Stimmen. Und die Befürworter des Verbots? Sie blieben in der Diskussion vor der Abstimmung stumm und waren dann laut Özvatan beschämt vom Ergebnis. Das Verbot der Nummer solle nämlich den Vereinen vor allem helfen, auf rechte Auswüchse in ihren Reihen aufmerksam zu werden, betont Özvatan. „Sie können nicht immer alles auf dem Schirm haben und wenn wir dieses Verbot haben, dann haben sie ein Frühwarnsystem“, sagte er.
Andere Landesverbände haben den Schritt schon gemacht. In Bayern wird die Nummer 88 seit der Saison 2018/19 nicht mehr vergeben. Rechtsextreme Codes werden einerseits sportgerichtlich geahndet, zudem kooperiert der Fußball-Verband auch mit der Generalstaatsanwaltschaft. Laut dem Verfassungsschutz können Kennzeichen wie solche Zahlenfolgen die Zugehörigkeit zur rechten Szene anzeigen, überschreiten „aber noch nicht die Schwelle der Strafbarkeit“.
Trotzdem sind die Clubs sensibilisiert, spätestens nachdem der Deutsche Fußball-Bund und Adidas im vergangenen Jahr den Verkauf von Nationalelf-Trikots mit der Nummer 44 stoppten. Das Design der Zahlen hatte an die Runen der SS aus der Zeit des Nationalsozialismus erinnert. Individuelle Beflockungen für Fans mit der Rückennummer 88 sind beim FC Bayern und dem DFB zudem nicht möglich. Die meisten Bundesligateams haben mittlerweile eine umfangreiche Blacklist für das Zahlen- und Namensfeld.
In Italien ist die Trikotnummer 88 bereits verboten. Zum Zeitpunkt der Einführung dieses Verbots mussten sich daher Mario Pašalić von Atalanta Bergamo und Toma Bašić von Lazio Rom neue Rückennummern suchen. Özvatan glaubt, dass es auch für den aktiven Fußball in Deutschland bald eine übergreifende Lösung seitens des DFB geben wird. Zwar dürfen in den deutschen Profiligen offiziell nur die Nummern 1 bis 49 vergeben werden – es ginge also nur um die unteren Spielklassen, dennoch hat Özvatan ein konkretes Szenario im Kopf. „Ich gehe davon aus, dass das in den kommenden Jahren von oben nach unten geregelt wird. Ich fände es allerdings besser, wenn sich die Vereine in einer demokratischen Abstimmung selbst dafür entscheiden würden“, sagt er.DPA