Von der NHL verstoßen

von Redaktion

Kehrt der Ausnahmespieler Lukas Reichel nächstes Jahr in die DEL zurück?

Glücklos in Vancouver: Nach nur 14 Spielen für die Canucks wurde Lukas Reichel aus dem Kader gestrichen. © IMAGO/Frid

München – Nie durfte sich das deutsche Eishockey größer und bedeutsamer fühlen als am 6. und 7. Oktober 2020. Gespielt wurde an diesen Tagen nicht, das verhinderte die Corona-Pandemie. Doch die National Hockey League (NHL) hielt ihren Draft ab, den Umständen angepasst nicht in einer großen Halle mit Präsenz der Besten, aber online mit Live-Schalten zu den Auserwählten.

Die drei deutschen Kandidaten waren vorbereitet: Tim Stützle hatte die Kollegen der Adler Mannheim in ein Restaurant (natürlich geschlossene Gesellschaft) eingeladen, wo dann auch schon ein Trikot der Ottawa Senators auftauchte, die ihn an Nummer drei zogen. In einer Sportsbar in Berlin freute sich Lukas Reichel inmitten seiner Freunde von den Eisbären, dass ein sehr seltener Fall eintrat: Die Chicago Blackhawks, die ihn als 17. zogen, waren tatsächlich sein NHL-Lieblingsclub. Leichte Enttäuschung zeigte sich nur beim Münchner John-Jason Peterka, der mit seinen Eltern in der Salzburger Red-Bull-Akademie auf den zweiten Draft-Tag warten musste, weil er als 34. knapp in die zweite Runde rutschte. Seine Rechte sicherten sich die Buffalo Sabres.

Drei Deutsche, alle 2002 geboren, in hohem Maße wertgeschätzt – was für ein Erfolg.

Die Lage gut fünf Jahre später: Tim Stützle knackt gerade die 400-Spiele-Marke, er kommt auf fast einen Scorerpunkt pro Partie, verdient 8,35 Millionen US-Dollar im Jahr, der Vertrag geht bis 2031. JJ Peterka veränderte sich im vergangenen Sommer vom relativ perspektivlosen Team der Sabres zu den Utah Mammoth, die das Potenzial haben, in ein paar Jahren um den Stanley Cup zu spielen. Er verdient 7,7 Millionen Dollar pro Saison.

Doch was wurde aus Lukas Reichel? Er ist aktuell kein NHL-Spieler mehr. Und womöglich gibt es für den hochveranlagten Stürmer ab der nächsten Saison gar keinen Platz mehr im nordamerikanischen Profi-Eishockey.

Vor wenigen Wochen hatte Chicago mit Lukas Reichel abgeschlossen. Er galt als „failed first-rounder“. Von Erstrunden-Drafts erwartet man im Fall von Offensivkräften, dass sie in den „Top Six“ ihrer Teams bestehen, in den ersten beiden Sturmreihen, die für die Tore sorgen. Dafür war Reichels Produktion zu gering (beste Saison: acht Treffer). Er ist zwar ein technisch besserer Spieler als viele in den dritten und vierten Reihen, den „Bottom Six“, doch hat eben nicht die speziellen Qualitäten der Arbeiter. Chicago tradete Reichel zu den Vancouver Canucks, die nach 14 Spielen (mit nur einem Reichel-Assist) beschlossen, ihn ins sogenannte Waiver-Verfahren zu schicken. Weil kein NHL-Club Interesse an einer Übernahme zeigte, muss Reichel nun in Vancouvers Farmteam Abbotsford spielen.

Finanziell ist das vorerst nicht zu seinem Schaden, es greift eine Klausel, wonach er in der Minor League sogar 100000 Dollar mehr bekommt als in der NHL. Allerdings: Der 1,2-Millionen-Vertrag läuft 2026 aus. Kehrt Reichel mit dann erst 24 nach Europa zurück?

Noch kann er sich für eine NHL-Rückkehr empfehlen. Und er hat die Chance, beim Olympia-Turnier im Februar in Mailand für sich zu werben. Er ist einer jener sechs Spieler, die Bundestrainer Harold Kreis vorab nominiert hatte. Kreis sagt: „Wir kennen seine Qualitäten, bei Weltmeisterschaften war er einer unserer besten Stürmer.“ In bisher 22 WM-Spielen verbuchte Reichel 22 Scorerpunkte, stach heraus mit seinem Tempo. Für Olympia ist er als Top-Six-Kraft vorgesehen.

Sollte Lukas Reichel in Nordamerika nicht mehr gefragt sein, würde in der DEL ein Wettbieten der Großclubs um ihn einsetzen. Berlin ließ ihn mit 17 in der DEL in einer zentralen Rolle spielen, das verbindet. Bei den Adlern in Mannheim wirbelt Lukas‘ Cousin Kristian Reichel, München könnte mit Heimatnähe punkten: Aufgewachsen ist Lukas Reichel in Rosenheim, wo sein Vater Martin, selbst Nationalspieler gewesen, als Nachwuchstrainer arbeitete. GÜNTER KLEIN

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