Lyon – Gordon Herbert wirkte ratlos, als er nach getaner Arbeit vor die Kameras trat. „Sie haben einige große Würfe getroffen“, sagte der Trainer der Basketballer des FC Bayern, „wir waren unglücklich.“ Sprach´s und verschwand in die kalte französische Nacht. Wobei der Kanadier wohl die Erkenntnis mitgenommen haben dürfte, dass an diesem Abend mehr in die Brüche gegangen war nur ein weiteres Euroleague-Spiel.
Wieder einmal hatten sich seine Profis eigentlich in eine komfortable Position gebracht, wieder einmal gab man ein Spiel letztlich selbst aus der Hand. Und nach diesem 74:76 bei Tabellenschlusslicht Villeurbanne werden die Zweifel lauter, ob diese europäische Saison überhaupt noch ein versöhnliches Ende nehmen kann.
Und noch mehr als die nun sieben Niederlagen in Serie, die man auch gegen Teams der unteren Tabellenhälfte einstecken musste, muss die Art nachdenklich stimmen, wie die Bayern auftreten. Die Münchner Profis präsentieren sich bestenfalls phasenweise als Mannschaft. Wenn der Gegenwind stärker wird, fällt man vor allem offensiv zuverlässig auseinander. Der, seit Mittwoch am Auge lädierte Kapitän Vladimir Lucic müht sich redlich, wie auch Weltmeister Johannes Voigtmann. Doch den Bayern fehlt der Souverän. Der Taktgeber, der das Spiel an sich reißt und auch in kniffligen Momenten das richtige tut. Leute wie Nick Weiler-Babb, wie Dauerscorer Carsen Edwards oder eben Rokas Jokubaitis, den die Münchner mit frischem Kreuzbandriss bekamen. Spencer Dinwiddie wurde genau für diese Lücke an Bord geholt. Doch der US-Amerikaner präsentierte sich zuletzt genau in den kritischen Phasen eigensinnig und war an den Pleiten alles andere als unbeteiligt.
Und das alles trotz einer bemerkenswerten finanziellen Ausstattung. Gestern veröffentlichte die BBL die Budgetzahlen ihrer Clubs. Demzufolge planen die Bayern in dieser Saison mit 48,42 Millionen Euro. Alleine ihre Kaderkosten setzen die Münchner mit gut 18 Millionen an. In der BBL ist man damit komplett konkurrenzlos – Alba Berlin kalkuliert als Nummer zwei mit einem Profietat von 4,69 Millionen. In der Euroleague dürften sich die Bayern damit zumindest im oberen Mittelfeld wieder finden. Viel höher jedenfalls als der 19. Platz, den man mit der Pleite in Villeurbanne bezogen hat.
Doch welche Schlüsse wird man aus der Entwicklung ziehen? Vorläufig könnte man am Kader noch nachjustieren, bis zum Rückrundenstart sind Transfers auch für die Euroleague möglich. Was doppelt interessant ist als die Bayern in Aleksa Radanov und David McCormack zwei Akteure in ihren Reihen haben, deren Kurzzeitverträge zum Jahresende auslaufen. Aber die Frage ist auch: Hat Gordon Herbert das volle Vertrauen der Verantwortlichen?
Zuletzt ging die Tendenz dorthin, auch wegen der gesundheitlichen Probleme des 66-Jährigen in den vergangenen Wochen. Doch es könnte sich ändern, wenn die Bayern nicht schnell die Trendwende schaffen. Platz eins in der Bundesliga und das Pokal-Halbfinale dürfte nicht zwangsläufig helfen. Schönen Gruß an Sasa Djordjevic. Der Serbe musste bei den Bayern 2018 kurz vor den Playoffs als Tabellenführer und Pokalsieger gehen. PATRICK REICHELT