Die besondere Meisterfeier: Drei Monate nach Tobias Eders Tod gewannen die Eisbären den Titel. Ina, die Verlobte von Tobias, nahm an der Ehrung teil. © Behrendt/Imago
Neuanfang in Berlin: Andi Eder spielt seit dieser Saison für die Eisbären, den Club, für den zuvor sein Bruder auflief. © Feiner/Imago
Die Profianfänge der Eders: Andreas (l.) und Tobias, damals 19 und 17, beim EHC München. © Imago
Trauer um Tobias Eder: In den Eisstadien der Republik, hier in Köln, wurde des verstorbenen Spielers gedacht. © IMAGO
Es war eine schockierende Nachricht weit über die Eishockeyszene hinaus: Am 29. Januar 2025 starb Tobias Eder, gebürtig aus Tegernsee, Nationalspieler, mit 26 Jahren an den Folgen einer im August 2024 diagnostizierten Krebserkrankung. Bei Tobis Club, den Eisbären Berlin, gibt es trotzdem einen Eder: Andreas (29), der ältere der Brüder, wechselte von München nach Berlin.
Von Lorenz Funk bis Florian Busch: Immer wieder hat es Eishockeyspieler aus Oberbayern nach Berlin, gezogen. Neben Ihrer persönlichen Geschichte: Was erklärt Berlins Anziehungskraft?
Es ist cool, dass man jeden Tag etwas unternehmen könnte, aber es nicht muss. Man hat hier auch ein Privatleben, das privat ist, denn als Eishockeyspieler in Deutschland wird man eher in den kleineren Städten erkannt.
Haben Sie einen Lieblingsplatz in Berlin?
Um ehrlich zu sein: Am liebsten bin ich zuhause auf meiner Couch. Wir trainieren schon sehr hart, nicht nur auf dem Eis, wir sind oft im Kraftraum.
Die vergangene Saison war für Sie extrem belastend. Sind Sie im Sommer mal weit weggefahren, um alles hinter sich zu lassen?
Eigentlich nicht. Die Situation, die ich letztes Jahr hatte, die ist nicht mit zwei Monaten Urlaub vorbei, sodass ich nicht mehr über sie nachdenken müsste. Das war für mich absehbar, deshalb habe ich versucht, Normalität in mein Leben zu bringen, so schnell wie möglich in den Trainingsalltag zu finden, fit in Berlin anzukommen, um meinen Job, so gut es geht, ausüben zu können . Das ist mir nicht jeden Tag gelungen. Aber ich merke, wie es mit der Luft und den Beinen besser wird, weil ich auch viel Eiszeit bekomme..
Bekanntgegeben wurde Ihre Verpflichtung durch die Eisbären Berlin relativ spät, am 12. Juli 2025. Das war das Datum, das Tobias und seine Verlobte Ina für ihre Hochzeit vorgesehen hatten. Sie hatten die Entscheidung für Berlin als neuen Club aber schon lange zuvor getroffen, oder?
Als der Tobi noch gelebt hat. Grundsätzlich war es unser Ziel, nochmals zusammenzuspielen. Tobi war in Berlin sehr glücklich. Ich war es in München sportlich gesehen nicht immer, will das aber nicht dem Verein in die Schuhe schieben. Ich konnte aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mein bestes Eishockey spielen. Unabhängig von dem Plan, dass wir noch einmal in einer Mannschaft stehen, war Berlin aber, wie sich jetzt zeigt, die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.
Eisbären-Geschäftsführer Thomas Bothstede verriet neulich, sein Münchner Kollege Christian Winkler habe vergangene Saison angeboten, Sie den Eisbären auf Leihbasis zur Verfügung zu stellen, damit Sie bei Tobi sein könnten. Das wurde aber nicht realisiert.
Ich war ja Anfang 2024 in die Schweiz, zum EV Zug, ausgeliehen worden, weil es in München nicht funktioniert hatte. Im Sommer (2024, d. Red.) bin ich nach München zurückgekehrt, hatte dafür wahnsinnig hart gearbeitet, dann ist Tobi krank geworden. Ich sagte zu Tobi, wenn er möchte, dass ich in Berlin bin, dann komme ich. Aber ihm war es wichtig, dass ich näher an zuhause bin und meine Eltern mit der Situation nicht alleine sind. Außerdem wollte Tobi, dass meine harte Arbeit sich in München auch auszahlt. So haben wir gemeinsam die Entscheidung getroffen. Ich glaube, wenn ich damals gewusst hätte, was alles passiert, wäre ich schon letztes Jahr nach Berlin gewechselt, um mehr Zeit mit meinem Bruder zu haben.
Wie präsent ist Tobi jetzt in Ihrem Berliner Alltag?
Für jemanden, der ein Familienmitglied unter solchen Umständen verloren hat, wird das immer präsent sein. Was bei mir und den Eisbären speziell ist: Für einen Spieler, der neu dazugekommen ist, ist die Beziehung zu allen besser, als sie es im ersten Jahr wäre, weil ich schon alle kenne. Ich war mit der Mannschaft bei Tobi im Krankenhaus, in der Kabine, habe mich in Berlin fitgehalten, als unklar war, wie es weitergeht. Grundsätzlich aber bin ich jetzt in Berlin sportlich so happy, dass ich nichts von dem, was außen rum war im letzten Jahr, mit in die Eishalle nehme, sondern einfach versuche, dort meinen Job zu machen kann.
Die Fans erhalten das Gedenken an Ihren Bruder aber aufrecht..
Und das ist völlig in Ordnung und freut mich. Einmal als ich das erste Tor im Spiel schoss und das Lied eingespielt wurde…
„Viva la vida“ von Coldplay, Tobis Lieblingssong…
… das ist ein gutes Gefühl, wenn ich das Lied höre. Es zeigt, wie stark der Tobi hier angekommen ist, obwohl er ja nur ein Jahr dagewesen war, als er krank wurde.
Die Eisbären haben schon besondere Fans, nicht wahr?
Nach München, Nürnberg und Straubing ist Berlin meine vierte Eishockeystadt als Profi in Deutschland. Ich halte nichts davon, zu sagen, dieser oder jener Standort hätte die besten Fans der Liga, denn jede Gruppe hat etwas, das sie auszeichnet. Bei den Eisbären ist Wahnsinn, wie viele Fans wir auswärts dabei haben. Wir sind zu einem Champions-League-Spiel nach Salzburg gefahren, und bei den vielen Verletzten, die wir hatten, war nicht davon auszugehen, dass wir in der Tabelle noch nach vorne kommen werden – trotzdem waren unter der Woche 300 bis 400 Berliner dabei. Brutal. Und das hilft, dass man ins Spiel reinfindet.
Sprechen Sie mit Ihren neuen Mitspielern über Tobi? Mit Ty Ronning soll er sehr eng gewesen sein.
Wie Trauer so ist: Der eine will lieber darüber sprechen, der andere selber damit fertig werden, aber das ist okay so. Alle Jungs, die letztes Jahr da waren, waren eng mit Tobi. Auch Liam Kirk, obwohl der erst zur letzten Saison kam und nie ein Spiel mit Tobi gemacht hat. Ich weiß, dass er mit Eric Mik befreundet war und sie zusammen auch Urlaub gemacht haben. Mit ihm teile ich mir meistens auch das Zimmer, aber nicht nur wegen Tobi, sondern weil wir uns gut verstehen.
Sie haben Tobis Platz in der Kabine übernommen.
Unser Betreuer Dirk Perschau hat gesagt, er wolle den Platz freilassen oder ich soll mich da hinsetzen. Da die Mannschaft sich ja nicht sehr verändert hat, waren auch nicht so viele Plätze frei in der Kabine.
Ihre Rückennummer ist neu: die 43.
Das ist Tobis Geburtstag. 4. März. Die 20, die ich zuletzt hatte, hängt in Berlin unterm Hallendach, Tobis 22 wollte ich nicht, obwohl ich sie bekommen hätte, und die 96, die ich auch schon trug, hat mir nicht richtig Glück gebracht. Beim EV Zug spielte Jan Kovar, mit dem ich noch immer in Kontakt stehe, mit der 43, da dachte ich: Das passt. Aber ist für mich auch komisch, wenn ich mich mit der 43 im Video sehe.
Wie setzen Sie sich mit der Krankheit auseinander, die Ihr Bruder bekommen hat? Gehen Sie nun zur Vorsorge?
Es wäre wohl nicht verkehrt, das zu tun. Ich versuche aber einfach, mich gesund zu ernähren, viel zu schlafen, vernünftig zu trainieren. Solange es mir gut geht, will ich mir auch nicht von einem Arzt einreden lassen, dass es nicht so ist. Das Warum, Wieso, Weshalb ein 26-jähriger Profisportler, der gesund gelebt hat, wie ein Profi es tun sollte, diese Krankheit bekommen hat, das ist eine Frage, die dich nicht glücklich macht. Ich habe mich mit der Frage wenig beschäftigt, weil es das Ergebnis nicht ändert.
INTERVIEW: GÜNTER KLEIN