Noch vier Sekunden! Schiedsrichter verhindern Zeitspiel des Torhüters. © Leech/imago
Harry Kane braucht ihn nicht: beim Elfmeter ist auch weiterhin ein Nachschuss erlaubt. © Imago
Das International Football Association Board (IFAB) ist für Regeländerungen im Weltfußball zuständig. Hier ist Teil zwei des Interviews mit Geschäftsführer Lukas Brud über die Reform der Abseitsregel, die Elfmeter-Revolution und mehr Befugnisse für den Video-Assistenten (VAR).
Herr Brud, blicken wir nach vorn: Aktuell diskutiert das IFAB eine Reform der Abseitsregel zugunsten der Angreifer. Was ist der Gedanke dahinter?
Die ursprüngliche Debatte entstand wegen Millimeter-Abseitsentscheidungen: Wenn z.B. die Nase oder Kniescheibe eines Stürmers im Abseits war. Die Genauigkeit des VAR hat dazu geführt, dass das Konzept „im Zweifel für den Angreifer“ ein bisschen verloren gegangen ist.
Die mögliche Reform geht auf eine Idee von Arsène Wenger zurück, nachdem ein Angreifer erst dann im Abseits ist, wenn sich seine „torerzielbaren Körperteile“ nicht mehr mit denen des Verteidigers überlappen. Sprich: Ein Angreifer dürfte im Moment der Ballabgabe mit einem Großteil seines Körpers jenseits der imaginären Abseitslinie stehen.
Genau, aber bei diesem Thema müssen wir eine ganz andere Diskussion anstoßen: Braucht es überhaupt ein anderes Abseitskonzept, und was wollen wir erreichen? Weniger marginale Entscheidungen, oder mehr Torszenen?
Wie ist der aktuelle Stand?
Tests dazu liefen bereits, jedoch bislang ohne konkrete Ergebnisse. Wir werden weiter überprüfen, ob und was für den Fußball angemessen ist, aber, wie bei allen Vorschlägen, nur dann etwas an den Regeln ändern, wenn dies wirklich sinnvoll für den Sport ist und es den Fußball besser und fairer macht.
Was können Sie uns zur von der FIFA angestoßenen „Elfer-Revolution“ sagen? Demnach soll beim Strafstoß nur noch ein Versuch erlaubt sein und ein bislang üblicher Nachschuss entfallen.
Dieser Vorschlag wurde in der Vergangenheit eingebracht, vor allem mit dem Argument, dass ein Strafstoß ohne Nachschuss für Schiedsrichter deutlich einfacher zu handhaben wäre: weniger Spieler im Strafraum, weniger mögliche Verstöße, weniger Diskussionen. Wir haben diesen Vorschlag diskutiert, eine konkrete Entwicklung gibt es hierbei jedoch aktuell nicht.
Gilt das auch für mehr Befugnisse des VAR? Bei der WM sollen nach dem Willen der FIFA angeblich auch Eckbälle und die zweite Verwarnung bei einer Gelb-Roten Karte überprüft werden dürfen.
Ein paar wenige Erweiterungen werden im Moment sehr sorgfältig geprüft, sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf die Auswirkungen auf das Spiel. Denn es ist wichtig, dass wir keine weiteren Verzögerungen generieren.
Eine Ausweitung des Countdowns ist ebenso im Gespräch. Seit dieser Saison zeigen Schiedsrichter die letzten Sekunden der Acht-Sekunden-Regel für Torhüter an – könnte ein ähnliches Verfahren auch bei Abstößen oder Einwürfen Anwendung finden?
Es ist eines der zentralen Themen, mit denen wir uns aktuell beschäftigen und wir bekommen momentan viel Zuspruch seitens Spieler, Clubs, Ligen und Verbände. Durch die Einführung der Acht-Sekunden-Regel hat sich das Verhalten von Spielerinnen und Spielern zum Positiven verändert, weshalb in der Öffentlichkeit bereits darüber diskutiert wird, ob der Countdown auch in anderen Situationen angewandt werden könnte. Denn dabei geht es vor allem darum, Zeitspiel zu regulieren, und den Unparteiischen ein effektives Werkzeug zu geben, in gewissen – nicht allen – Situationen, dagegen vorzugehen. Also werden wir das weiter prüfen und gegebenenfalls testen.
Auch bei Auswechslungen?
Ja, ein ähnliches Prinzip könnte dort auch zum Zuge kommen. Die MLS hat das in den USA bereits getestet.
Mit welchen Erfahrungen?
Dort wurden über 4600 Auswechslungen überprüft – nur zwölf Mal wurde die erlaubte Zeit überschritten. Das zeigt, dass eine gut kontrollierte Umsetzung effektiv funktioniert. Die Konsequenz: Spieler, die zu spät aufs Feld kommen, müssen eine Minute warten, bevor sie eingreifen dürfen.
Wann rechnen Sie mit der Einführung dieser Regeln?
Grundsätzlich können Spielregeln nur während der Jahreshauptversammlung, die meist Anfang März jedes Jahres stattfindet, beschlossen werden. Ob und welche Regeln tatsächlich nächstes Jahr neu eingeführt werden, ist somit aktuell noch offen.