Plappermaul und Schweiger

von Redaktion

Raimund und Hoffmann – die deutschen Hoffnungen für die 74. Vierschanzentournee

Die deutschen Argumente gegen Kobayashi & Co: Philipp Raimund und Felix Hoffmann werden zumindest Außenseiterchancen auf den Goldadler für den Tourneesieger zugeschrieben. © IMAGO/Hoermann

Oberstdorf – Neulich in Engelberg hat man es kurz mal wieder sehen können, dieses hintersinnige Lächeln auf den Lippen von Stefan Horngacher. Felix Hoffmann und Philipp Raimund waren gerade zweimal ins Spitzenfeld gesprungen. Und der Noch-Bundestrainer der deutschen Skispringer verkündete: „Alles in Ordnung. Wir sind da!“

Hoffmann und Raimund also, das sind die Namen, die das Tourneefieber der Deutschen in den Tagen zwischen Oberstdorf und Bischofshofen zumindest am Köcheln halten sollen. Das fällt noch nicht jedem leicht, die auf Flüge der schwächelnden Karl Geiger und Andi Wellinger geeichte Szene fremdelt noch ein wenig mit den neuen Helden.

Doch das könnte sich bald ändern. In der Qualifikation von Oberstdorf schickte Raimund mit 132,5 Metern als Zweiter hinter Sloweniens Dominator Domen Prevc gleich einmal eine erste Ansage an die Konkurrenz und stellte erfreut fest: „Es ist cool, dass viel mehr Leute meinen Namen kennen.“ Aber der Mann ist halt konstant wie nie. Den Sommer-Grand-Prix gewann er, im Winter flog er in elf Wettbewerben neunmal in die Top-6. Und garnierte es mit kessen Sprüchen: „Ich sage jetzt nicht, wenn ich die Tournee gewinne, werde ich der nächste Papst.“ Horngacher überrascht der Schritt des 25-Jährigen ins Skisprung-Rampenlicht nicht. „Er hat sich das, was wir heute sehen, über Jahre erarbeitet.“

Bei Hoffmann ist das anders, der zweite deutsche Lichtblick fiel dem Bundestrainer buchstäblich zu. Über mehrere Winter galt der 28-jährige Thüringer als ein Mann, der dabei ist, aber eben nie mittendrin. Dann kam die deutsche Meisterschaft und Hoffmann flog allen Etablierten auf und davon. Und machte auch im Winter einfach weiter. In der Qualifikation wurde er am Sonntag Zwölfter und bekommt es zum Tourneeauftakt ausgerechnet mit dem kriselnden Andi Wellinger zu tun. Selbst Titelverteidiger Daniel Tschofenig, selbst am Sonntag schon wieder Dritter am Schattenberg, hat ihn hoch auf der Rechnung: „Hoffmann ist ein Favorit.“

Ex-Kollege Severin Freund hat so eine Ahnung, woher der plötzliche Frühling des Mannes aus Goldlauter kommt. Hoffmann könnte einer der Gewinner der Neuregelung der heiß diskutierten Springeranzüge sein, die die sieggewohnten Kollegen Karl Geiger und Andi Wellinger vom Himmel holte. Vor allem im Übergang vom Schanzentisch habe es ihm bislang an Aggressivität gefehlt – „jetzt passt seine Technik perfekt“.

Das eigentlich Kuriose ist: Gegensätzlicher könnten die beiden deutschen Topflieger kaum sein. Auf der einen Seite Raimund, das forsche, schwäbische Plappermaul. Auf der anderen der fliegende Schweiger, der in seinem öffentlichen Auftreten hart an Jens Weißflog erinnert. Oder wie es Horngacher sagte: „Wenn du in ihn reinschauen willst, dann brauchst du eine Lupe.“

So sehen die beiden besten deutschen Argumente zum Tourneestart aus. Von deren sportlichen Potenzial für die zehn Tourneetage aber auch der Bundestrainer ziemlich überzeugt ist: „Im Moment sind eigentlich nur zwei, drei Springer besser.“

Vielleicht ja auch nur einer. Domen Prevc, der Weltcup-Primus, machte als Qualifikationssieger am Sonntag gleich einmal da weiter, wo er bei der Generalprobe in Engelberg aufgehört hat. Bis auf 139 Meter segelte der fünfmalige Saisonsieger und legte damit gleich einmal 6,5 Meter zwischen sich und seinen deutschen Herausforderer. Stefan Horngacher störte das erst einmal wenig. „Was zählt, ist: Wir sind dabei.“ sagte er. Und da war es wieder, dieses hintersinnige Lächeln.PATRICK REICHELT

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