Gut möglich, dass vielen Menschen der Name Oliver Grimm auf Anhieb nichts sagt. Aber sobald man das Lied „La-Le-Lu, nur der Mann im Mond schaut zu“ anstimmt, haben die meisten sofort zwei Gesichter vor Augen: Zum einen das von Heinz Rühmann, der dieses Lied 1955 in dem Film „Wenn der Vater mit dem Sohne“ singt, und eben das Gesicht von Oliver Grimm, der damals gerade einmal sieben Jahre jung ist.
„Wenn der Vater mit dem Sohne“ wird einer von Rühmanns größten Nachkriegserfolgen, den kleinen Oliver Grimm macht der Film über Nacht zum Star. Mit seinem schelmischen Lächeln und dem treuherzigen Augenaufschlag gelingt es ihm ab und an tatsächlich, dem großen Rühmann ein wenig die Show zu stehlen. Das Drehbuch gibt ihm die Chance dazu, praktischerweise hat es Grimms Vater geschrieben. Denn Oliver Grimm ist nicht ganz zufällig im Filmgeschäft gelandet. Er kommt 1948 in München als Sohn des Filmemachers Hans Grimm und der Schauspielerin Hansi Wendler zur Welt. Schon als Kleinkind steht er vor der Kamera, und als er „Wenn der Vater mit dem Sohne“ dreht, hat er schon ein halbes Dutzend Filme in seiner Biografie stehen. Er weiß, wie man sich vor der Kamera bewegt und hat die Gabe, dabei völlig natürlich zu bleiben – das wichtigste Talent bei Kinderdarstellern.
Es folgen Filme mit ähnlicher Rezeptur, gelegentlich unter der Regie des Vaters. Aber wie das so ist bei Kinderstars: Mit dem ersten Bartflaum und dem Stimmbruch ist Schluss mit dem Kinoruhm. 1962 ergattert Grimm in dem bitteren britischen Kriegsfilm „Reach for Glory“ noch eine Rolle als Teenager, der unbedingt an die Front will, aber es folgen keine weiteren Angebote. Das Erstaunliche daran: Grimm hadert nicht damit, jedenfalls gibt es keine Aussagen, die darauf deuten könnten.
Er beendet die Schule, studiert, nimmt dann aber doch Schauspielunterricht und spielt viel Theater. Zudem etabliert er sich als Synchronsprecher. Ab und an hat Grimm noch Auftritte im Fernsehen, aber die ganz große Karriere wird es nicht mehr. Deutschlands größter Kinderstar der Fünfzigerjahre tritt bescheiden in die zweite Reihe zurück und macht keine Schlagzeilen mehr, was in diesem Geschäft ja im Grunde eine sehr gute Nachricht ist. Keine Skandale, keine Peinlichkeiten, kein Ausverkauf für fünf Minuten Ruhm – das ist durchaus eine Leistung in der Branche. Wer es nicht glaubt, kann ja mal andere ehemalige Kinderstars in seine Suchmaschine eingeben und sehen, was das Internet dann ausspuckt. Wie jetzt bekannt wurde, ist Oliver Grimm bereits am 10. Oktober in Passau verstorben.
Keine Trauerfeier, keine Beerdigung, das wollte er so. Seine Todesanzeige hat er selbst verfasst, und sie trifft einen mitten ins Herz, weil hier einer mit Haltung aus dem Leben scheidet. Er gehe fröhlich, schreibt er da und dass es „schön war mit Euch“. Aber der Körper lasse ihn wissen, dass es Zeit sei zu gehen. Den Abschied solle man feiern. „Ich sag Euch, wann und wo wir uns treffen.“
Feiner Humor und Gelassenheit im Angesicht des Todes, das ist das Merkmal eines großen Geistes. Der Mann hatte offenkundig etwas, was man nicht lernen und nicht kaufen kann: Stil. Da hat sich ein Mensch verabschiedet, kein Star.