„Jetzt ist jetzt“

von Redaktion

Schauspieler, Entertainer und Autor Ilja Richter wird 65 und erinnert sich nur ungern an den Karrierestart mit „Disco“

Von nada Weigelt

Es gibt heiße Schokolade, Wasser mit einem Pfefferminzblatt und leisen Jazz. Ilja Richter trifft sich gern in seinem Stammcafé „Mon Plaisir“, direkt bei ihm um die Ecke im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Kurze graue Haare, lässiges Wolljackett. Nichts erinnert an den hyperaktiven schwarzen Pilzkopf im Sonntagsanzug, der in den Siebzigerjahren mit seiner ZDF-Sendung „Disco“ Fernsehgeschichte schrieb. „Licht aus! Spot an!“ – diese flotte Floskel wurde für eine ganze Generation von Teenagern zum geflügelten Wort.

Ilja Richter findet es langweilig, darüber zu reden. Genauso, wie er über seinen 65. Geburtstag eigentlich nicht sprechen mag. „Geburtstag ist ja keine Kunst, das hat jeder“, sagt er knapp. Und: „Ich mag keine nostalgischen Fragen. Ich mache da nicht mehr mit, weil das nicht meine Zeit ist. Jetzt ist jetzt.“ Und „jetzt“, das ist etwa die musikalische Lesung zum verkorksten Leben des Schriftstellers Karl May, die am Samstag – einen Tag nach dem Geburtstag – an Dieter Hallervordens Schlossparktheater Premiere feiert. Oder sein Soloprogramm auf den Spuren des Wiener Musikkabarettisten Georg Kreisler (1922–2011). Oder sein Auftritt als cooler FBI-Agent Carl Hanratty in deutschen Bühnenadaptionen des Hollywoodfilms „Catch me if you can“. „Ich versuche, im Rahmen des Älterwerdens herauszufinden, was ich noch nicht gemacht habe“, sagt er. „Wo ist etwas, das anders ist, das mich fordert, das mich herausfordert?“

Und da blitzt dann doch wieder etwas von dem unbekümmerten, forschen Jungen durch, der einst einen neuen Zeitgeist in die deutschen Wohnzimmer brachte. Mehr als zehn Jahre, von 1971 bis 1982, präsentierte Ilja Richter, anfangs 18, am Samstagabend zur besten Sendezeit im ZDF seine „Disco“ – eine bunte Mischung aus Schlager, Rock und Pop, fröhlich und locker durchgequasselt, garniert mit Sketchen. Was anfangs als Jugendsendung geplant war, entwickelte sich bald zum Familienevent – zwanzig Millionen Zuschauer saßen vor dem Fernseher und freuten sich Woche für Woche auf sein „Hallo Freunde“. Am 22. November 1982 war dann Schluss – der beliebte Entertainer wollte sich verstärkt der Schauspielerei widmen.

Seither bewies sich der gebürtige Berliner als „gesegneter Genrespringer“, wie ein Kritiker es formulierte. Auf der Bühne wechselte er erfolgreich zwischen Peter-Zadek-Inszenierungen, Volkstheater und Musical, war in Serien („Forsthaus Falkenau“) und Kinofilmen („Mein Führer“) präsent, spricht Hörbücher ein und synchronisiert Filme, ist als Kolumnist und Autor tätig. Im Jahr 2013 erschien sein Buch „Du kannst nicht immer 60 sein“, in dem er sich mit dem Älterwerden, aber auch mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzt. Sein Vater saß als Kommunist in der Nazizeit neuneinhalb Jahre in Zuchthaus und KZ, seine jüdische Mutter überlebte mit gefälschter „arischer“ Identität das „Dritte Reich“.

Und er selbst? „Ich möchte einen Roman schreiben“, sagt er. „Ich bin jetzt beim dritten Anlauf. Und drei ist meine Lieblingszahl.“

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