Er sah sich als Deutschen aus Dresden in Sachsen. Als Baum, der, wenn’s sein muss, lieber daheim verdorrt, als sich verpflanzen zu lassen. Im Gegensatz zu vielen bekannten Schriftstellerkollegen, die nach dem Verbot ihrer Bücher und der Bücherverbrennung der Nazis am 10. Mai 1933 ins Exil gingen, harrte Erich Kästner in Berlin aus. Ende der Zwanzigerjahre konnte sich der Schriftsteller noch als Star fühlen, sein Kinderbuch „Emil und die Detektive“ wurde zum Bestseller. Im Umfeld dieses Erfolges siedelt der österreichische Regisseur Wolfgang Murnberger („Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit“) den Fernsehfilm „Kästner und der kleine Dienstag“ an, den das Erste heute um 20.15 Uhr zeigt.
„Parole Emil“ begrüßen sich Millionen Kinder im Sommer des Jahres 1929 auf deutschen Spielplätzen – in Anlehnung an „Emil und die Detektive“ – und spielen die Abenteuer des Berliner Buben und seiner Freunde nach. Unter ihnen ist auch der achtjährige Hans Löhr (Nico Kleemann). Er verehrt Erich Kästner (Florian David Fitz), der das Kinderbuch eher aus einer Laune herausgeschrieben hatte und sich gar nicht als Autor von Literatur für Heranwachsende sah.
Hans schreibt Kästner einen Brief. Und siehe da, schon bald steht der Schriftsteller vor dem Mietshaus, in dem der Bub zusammen mit Mutter und Schwester in einfachen Verhältnissen lebt. Er hilft Hans, eine der begehrten Rollen in der Verfilmung des Buches zu ergattern.
Doch die guten Zeiten sind bald vorbei Nach der Machtübernahme der Nazis trifft auch Erich Kästner der Bann. Er wird aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen und sieht seine Bücher brennen. Hans versteckt seine Exemplare von „Emil und die Detektive“ und „Pünktchen und Anton“, denn seine Schwester Trude (Charlotte Lorenzen) ist überzeugtes Mitglied des „Bundes Deutscher Mädel“ (BDM). Murnberger gelingt es, die Atmosphäre der Angst spürbar zu machen, die im „Dritten Reich“ bis in die Familien hineinwirkt.
Auch Kästner versucht, nicht aufzufallen und seinen Idealen treu zu bleiben – und nicht zu lügen, aber sich äußerlich unpolitisch zu geben. Er schließt Kompromisse. Freunde verschaffen ihm Jobs bei der Ufa, unter Pseudonym schreibt er dort Drehbücher, unter anderem für den Monumentalfilm „Münchhausen“. Er widerspricht damit den eigenen Prinzipien, die er auch Hans zu vermitteln versucht. Der Teenager (Jascha Baum), inzwischen auf dem Gymnasium, erlebt in der Person seines besten Freundes selbst die Ausgrenzung von Menschen jüdischer Herkunft. Hans will in seinem jugendlichen Gefühl für Gerechtigkeit rebellieren, doch Kästner rät ab.
Hans wird schließlich zur Wehrmacht eingezogen. Er fällt in den letzten Kriegstagen. Von den Kindern, die für den „Emil“-Film als kleine Detektive durch Berlin tobten, erleben nur zwei das Kriegsende. Ihre Generation erleidet das Trauma, das Kästners Pazifismus nach dem Ersten Weltkrieg prägte. Kästner selbst bezahlt seine Entscheidung, in Berlin zu bleiben, mit Einsamkeit. Sein langjähriger Freund, der Zeichner Erich Ohser (Hans Löw), wird im Jahr 1944 denunziert und nimmt sich in der Nacht vor Prozessbeginn vor dem berüchtigten „Volksgerichtshof“ das Leben.
Die Geschichte der Freundschaft zwischen Erich Kästner und Hans Löhr (Buch: Dorothee Schön) hat sich so ähnlich tatsächlich zugetragen. Sie handelt vom Wert der Freundschaft in schwerer Zeit und macht deutlich, dass Erich Kästner (1899-1974) kein Held, aber auch kein Mitläufer gewesen ist. Er versuchte, wie er später einmal selbst formulierte, „unter Schweinen halbwegs sauber zu bleiben“.