Es gabat a Leich!

von Redaktion

Tot sein ist harte Arbeit – zumindest bei den „Rosenheim-Cops“: Unsere Redakteurin startete einen Selbstversuch

von Nadja Hoffmann

Auf diesen einen Punkt an der Decke schauen, die Augen offen und die Pupillen ganz ruhig lassen, blinzeln unter allen Umständen vermeiden und auch nicht atmen: Das kann ja für einige Momente nicht so schwer sein, denke ich mir. Doch das Herz klopft, Adrenalin strömt durchs Blut, und meine Muskeln beginnen unkontrolliert zu zucken. Eine Leiche in einer TV-Serie zu spielen – und diese Erkenntnis kommt nach wenigen Sekunden –, ist wahrlich kein Kinderspiel. Zumindest, wenn man es in keiner Weise gewohnt ist, seinen Körper längere Zeit vollkommen ruhig zu halten.

Das Gute: Mit jedem Versuch wird es an diesem warmen Drehtag im Juli besser. Das Team der „Rosenheim- Cops“ hat das Ortszentrum von Miesbach in Beschlag genommen. Ein kleines, leer stehendes Geschäft wurde in einen Wollladen umgewandelt. Und zwar so liebevoll, dass es auch den Schauspielern auffällt. „Das ist so detailreich“, schwärmt Sara Sommerfeldt angesichts der vielen Deckchen, Lampions und Wandbilder aus Wolle. Sie spielt in der Folge „Das letzte Geschäft“ (heute, 19.25 Uhr, ZDF) Sabine Bachinger. Jene Kollegin, die die Tote Leila Pfannenschmied, also mich, blutverschmiert am Boden findet. Todesursache: Milzstich.

Die Wunde, die Maskenbildner Albin Löw mir Stunden vorher in einer Art Wohnmobil ans Kleid drapiert hat, sieht täuschend echt aus. Erst schneidet er mit einem Skalpell vorsichtig den Stoff durch. Danach wird das Loch mit Kleber an der Haut befestigt. Mithilfe einer dunkelroten Masse entsteht so eine Art Verkrustung. Über die lässt Löw dann das Filmblut aus der Flasche laufen. Augenzwinkernd meint er: „Nicht zu viel, wir machen ja Familienfernsehen.“

Und das äußerst erfolgreich. Derzeit läuft die 17. Staffel der beliebten Krimiserie. Pro Folge schalten zwischen vier und fünf Millionen Zuschauer ein. Sie lieben die Mischung aus spannender Geschichte, urigen Persönlichkeiten und der beeindruckenden Voralpen-Landschaft. So sitzt Kommissar Korbinian Hofer immer dann, wenn er über einen Leichenfund informiert wird, beim Frühstück vor einem prächtigen Bauernhof samt sonniger Bergkulisse. Gespielt wird die Rolle von Joseph Hannesschläger. Und das von Anfang an – seit dem Jahr 2002. Er ist der Star und das Gesicht der „Rosenheim-Cops“. Am Set, wo rund fast 40 Leute herumwuseln, strahlt er Bierruhe aus.

Die braucht es auch. Denn ein Drehtag ist lang. Manche Schauspieler müssen schon um kurz nach 7 Uhr in die Maske, die Kameras laufen von 8.30 bis 18.30 Uhr. Jede Szene wird immer und immer wiederholt. So lange, bis Regisseur Herwig Fischer zufrieden ist. Für jeden Dialog gibt es mehrere Einzel-Einstellungen, dann noch die Totale. Entsprechend lange liege auch ich als Leiche Leila mehr oder weniger mausetot auf den kalten Steinfliesen. In den Pausen bekomme ich eine Matte als Unterlage und Kissen für den Kopf gereicht. Zu viel Bewegung ist aber nicht gut. Schließlich müssen der Blutverlauf von der Wunde und die kleine Lache am Boden auch bei der nächsten Einstellung zueinander passen. Im Team gibt es Mitarbeiter, die genau darauf achten, dass sich im Bild nichts ändert. Sie machen Fotos von einer Szene und schauen bei der nächsten, ob jedes Wollknäuel noch an derselben Stelle liegt. Oder eben auch ein Arm oder Bein.

So vergehen die Stunden. Natürlich auch mit Unterbrechungen, in denen Aufstehen erlaubt ist. Bevor die Kameras laufen, gibt es eine Stell- und Lichtprobe, die Dialoge werden geübt. Dann wird es ernst. „Ton läuft“ wird gerufen. „Und bitte“ sagt Regisseur Fischer. Ich blicke nach oben auf diesen einen Punkt an der Decke, nicht blinzeln, nicht schnaufen. Alles ganz einfach.

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