Für Schauspieler und Filmproduzent Til Schweiger (54) steht fest, dass die Diskussion um sexuelle Gewalt in der Film- und Fernsehbranche Konsequenzen haben muss. Bei den Dreharbeiten zu seinem neuen Film soll es deshalb zwei Vertrauenspersonen geben, an die sich Crewmitglieder im Falle von sexuellen Belästigungen wenden können. „Jeder, dem so etwas widerfährt, ist sein Leben lang traumatisiert“, sagte Schweiger am Mittwochabend in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ über Opfer sexuellen Missbrauchs.
Wie berichtet, werfen mehrere Frauen dem Regisseur Dieter Wedel (75) vor, sie während der gemeinsamen Arbeit sexuell belästigt oder sogar vergewaltigt zu haben. Wedel hat alle Anschuldigungen zurückgewiesen. Schweiger („Keinohrhasen“, „Kokowääh“, „Honig im Kopf“) hat Verständnis, wenn sich Frauen erst Jahre nach solchen Taten öffnen: „Wir müssen sagen: ,Wir verstehen, warum ihr so lange gelitten habt und so lange nicht den Mut hattet‘. Und nicht sagen: ,Zwanzig Jahre hattet ihr die Chance und jetzt haltet die Klappe‘.“
„Es wussten nicht alle in der Branche, dass er vergewaltigt haben soll. Man wusste aber, dass er ein Menschenquäler ist“, sagte Schweiger weiter. In vielen Fällen gehe es gar nicht um Sex, sondern um die Demonstration von Macht: „Leute, die ihre Macht demonstrieren und ausleben wollen, können nichts weniger leiden, als wenn sich jemand widersetzt. Deswegen wollen sie diesen Menschen brechen, verletzen und erniedrigen.“
Die Schauspielerin Brigitte Karner sieht Wedels Verhalten ähnlich: „Er hat seine Macht brutal missbraucht, und man hat es ihm gestattet“, sagte die Österreicherin bei „Stern TV“. In den Neunzigerjahren hatte Karner mit Dieter Wedel zusammengearbeitet – in „Der große Bellheim“ spielte sie an der Seite von Mario Adorf. Wedel habe sie schikaniert und beleidigt, nachdem sie seine Avancen abgelehnt habe: „Die Bedrängung bestand darin, dass er aggressiv war. Und dass er dann wieder versucht hat, sogenannte private Momente zu finden, wo er plötzlich freundlich war.“ Karner kritisierte, dass es Verantwortliche gegeben habe, die ihm gestattet hätten, seine Macht zu missbrauchen. Es müsse darüber geredet werden, warum Produzenten oder Leute beim Sender immer wieder geschwiegen hätten.
Mehrere Sender haben bereits Aufklärung zugesagt, unter anderen Sat.1. Wedel führte dort bei dem Mehrteiler „Der König von St. Pauli“ Regie. „Als Konzern haben wir eine moralische Verantwortung, unsere Mitarbeiter und die Mitwirkenden an unseren Produktionen vor sexueller Diskriminierung und Machtmissbrauch zu schützen“, hieß es. Deshalb würden auch bereits bestehende Vorkehrungen noch einmal überprüft.
Zuvor hatte schon die Produktionsfirma Bavaria Film angekündigt, die Zusammenarbeit mit Wedel zu untersuchen. Bavaria Film beziehungsweise Bavaria Fiction hatte mit Wedel unter anderem „Die Affäre Semmeling“ realisiert. In der vergangenen Woche hatte bereits der Saarländische Rundfunk (SR) mitgeteilt, eine „Task Force“ solle aufarbeiten, wie der Sender mit den 1981 erhobenen Vorwürfen gegen Wedel umgegangen sei. Die Schauspielerin Esther Gemsch, die für die von der damaligen SR-Tochterfirma Telefilm Saar produzierte Serie „Bretter, die die Welt bedeuten“ engagiert worden war, hatte in der Wochenzeitung „Die Zeit“ einen mutmaßlichen Vergewaltigungsversuch Wedels 1980 geschildert – in einem internen SR-Bericht von damals sind ihre Vorwürfe dokumentiert.
Man wisse leider nicht, warum damals niemand darauf reagiert habe, räumte der Sender ein. Der SR übernehme die Verantwortung und werde dafür Sorge tragen, dass sich solche Dinge nicht wiederholten, hatte Intendant Thomas Kleist unserer Zeitung gesagt: „Wir wollen nicht, dass junge Schauspielerinnen und Schauspieler angsterfüllt in diesen tollen Beruf hineingehen müssen.“