Atemlos durch die Nacht. Helene Fischers Hit hätte hervorragend als Hymne zum neuen Schweizer „Tatort“ gepasst, mit dem am Sonntag die Sommerpause beendet wurde. Rasant jagte Regisseur und Drehbuchautor Dani Levy Kamera und Schauspielensemble durch den Krimi in Luzern. Ein Fall in nur einer Einstellung gedreht, ohne Schnitte, dafür mit überraschenden Wendungen und großer Sogwirkung.
Franky Loving (herrlich süffisant: Andri Schenardi), Müßiggänger und Millionärssohn, nimmt den Zuschauer mit ins Kultur- und Kongresszentrum von Luzern. Mit eindringlichem Blick spricht er seine selbstironischen Monologe in die Kamera. „100 Tote pro Woche im Fernsehen können nicht irren. Das Dunkle ist so relevant, das Leichte nur Unterhaltung“, fabuliert er. Die Kamera ist ihm dicht auf den Fersen und fliegt im nächsten Augenblick zur nächsten Figur.
Sie fängt Frankys Vater Walter Loving ein (großartig gespielt von Hans Hollmann), ein Mäzen und Menschenfreund, der sich bei diesem Benefizkonzert selbst gekonnt inszeniert. Das von ihm engagierte Jewish Chamber Orchestra (ehemals Orchester Jakobsplatz München) soll Stücke im Konzentrationslager ermordeter Komponisten spielen. Die perfekte Bühne für den Gutmenschen Loving, der – wie der weitere Verlauf dieses ereignisreichen Abends ans Licht bringt – eine dunkle Vergangenheit als gieriger Fluchthelfer im Zweiten Weltkrieg hat.
Ein Giftanschlag statt eines gewöhnlichen Mordes, viel Glitzer statt grauer Krimitristesse. Auch wenn die etwas konstruiert wirkende Geschichte um Hass und Liebe, Schuld und Sühne der Kamera streckenweise hinterher hetzt, schafft es Levy doch, etwas außergewöhnlich Authentisches entstehen zu lassen. Dabei agieren die Kommissare Flückiger (Stefan Gubser) und Ritschard (Delia Mayer) in diesem Kammerspiel als Randfiguren. Orientierungslos irren sie durch die Gänge des Backstage-Bereichs und wirken in ihrer Überforderung umso glaubwürdiger. Ein Echtzeit-Krimi, der Improvisationstalent erfordert und den Zuschauer aus seiner Komfortzone holt. Der Fall „Die Musik stirbt zuletzt“ wirft nicht die häufig gestellte Frage auf, was der „Tatort“ darf, sondern zeigt, was er kann.