Hans-Joachim Kulenkampff, Peter Alexander, Hans Rosenthal – wenn die großen Showmaster des Nachkriegsdeutschlands ihren Auftritt hatten, versammelten sich die Familien vor dem Fernseher. Mit ihren Shows wie „Einer wird gewinnen“ oder „Dalli Dalli“ erreichten sie Einschalt- quoten, von denen Jörg Pilawa und Johannes B. Kerner heute nur träumen können. Für viele Zuschauer waren sie wie Familienmitglieder, wie Regisseurin Regina Schilling in „Kulenkampffs Schuhe“ erzählt. Das Erste zeigt die liebenswerte Dokumentation an diesem Mittwoch um 22.30 Uhr.
Schilling verknüpft ihre Reise durch das Unterhaltungs- fernsehen der Nachkriegszeit mit ihrer eigenen Familiengeschichte. Im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung mit ihrem Vater, dessen Leben beispielsweise mit dem von Kulenkampff zahlreiche Parallelen aufweist. Wie der berühmte Entertainer wuchs auch Schillings Vater im Nazideutschland auf, erlebte die Schrecken des Zweiten Weltkrieges als junger Soldat und schuftete sich in den Fünfziger- und Sechzigerjahren für das Wirtschaftswunder krumm. Er als Besitzer eines Drogeriegeschäfts im Rheinland, der Showmaster im Hamsterrad der Unterhaltungsindustrie.
Und auch als die Aufhebung der Preisbindung die wirt- schaftliche Existenz der Eltern gefährdete, das Herz des Vaters immer schwächer wurde, war die Fernsehfamilie immer da. Kulenkampff witzelte noch immer mit seinen Kandidaten, und Peter Alexander sang „Mädchen, weine nicht, es wird alles wieder gut“. In der Unterhaltung versuchten alle zu vergessen, die Entertainer auf der Mattscheibe und ihr Publikum davor. Verdrängt wurden die Gräuel des Krieges, die eigene Schuld und die Mühen der Nachkriegszeit – zumindest am Samstagabend war alles in Ordnung.
Zusammengestellt ist der Film, der auf berührende Art Erinnerungen an die eigene Kindheit weckt, ausschließlich aus Archivmaterial, aus alten Fernsehausschnitten, Interviews, Werbefilmen, Schmalfilmaufnahmen und Fotos aus dem Familienalbum. Schilling gelingt ein tiefgründiges Porträt nicht nur ihres Vaters und der Showgrößen, über die man Intimes erfährt, sondern auch der deutschen Seele nach dem Krieg.