Schweizer Käse

von Redaktion

„TATORT“-KRITIK

Ernsthaft? Da steht ein bewaffneter Mann in der Villa, die Tochter des Hauses wird von ihm mit Gewalt aus dem Pool ins Wohnzimmer befördert, dort fesselt er ihre Mutter mit Elektrokabeln – und sie, die da im goldenen Bikini im Raum steht, fragt provokant: „Kann ich mir was anziehen – oder wollen Sie mich eh vergewaltigen?“ Als sie dann die Chance hat, in einem unbeobachteten Moment ihr Handy zu nutzen, startet sie keinen Hilferuf nach außen – sondern postet im Internet: „Schlimmster hangover meines Lebens. #strange-guy-in-meinem-Haus?“ Und, um das Stereotyp eines abgebrühten, reichen Töchterleins komplett zu machen, zieht sie sich, als sie auf die Toilette gehen darf, dort fix eine Line Koks durch. Ernsthaft?

Der neue Schweizer „Tatort“ aus Luzern mit dem Titel „Friss oder stirb“ war interessant konstruiert – doch leider merkte man ihm genau das an. Zu hölzern die Dialoge (was der nachträglichen Synchronisation aus dem Schweizerdeutschen geschuldet sein kann), zu gewollt der sozialkritische Ansatz. Hier die Superreichen wie im Klischee, die Sätze sagen wie: „Es kann nicht jeder mit Privilegien geboren werden, sonst wären es keine mehr.“ Da der Verlierer im ökonomischen System, dessen Arbeit an eine günstigere Firma „outgesourct“ wurde. Und der nun in seiner Verzweiflung in der Villa des Hauptgeschäftsführers des dafür verantwortlichen Schweizer Unternehmens auftaucht und seinen entgangenen Verdienst hochgerechnet bis zum Rentenalter einfordert.

Roland Koch spielt diesen erfolgreichen Schweizer Geschäftsmann namens Anton Seematter gelungen wie einen väterlichen Freund – Zeichen seiner Überlegenheit. Und als dieser weist er den überforderten Eindringling (wie immer überzeugend: Misel Maticevic) darauf hin, dass der in seinen Berechnungen die Inflationsrate vergessen habe; eigentlich stünden ihm da ja noch ein paar Tausender mehr zu. Hübsch auch die Antwort auf die Frage der Kommissare, was der Firmenboss gestern getan habe: „Gestern? Gestern war Sonntag. Da schaue ich eigentlich immer ,Tatort‘.“

Denn plötzlich tauchen auch Liz Ritschard (wie so oft merkwürdig passiv: Delia Mayer) und Reto Flückiger (Stefan Gubser) in der Villa auf. Sie ermitteln, weil die Dozentin der reichen Tochter tot aufgefunden worden war. Seematter steht unter Tatverdacht – hatte es die Frau doch abgelehnt, gegen Geld der Tochter das Wiederholen des vergangenen Jahres zu ersparen. Manches, so lehrt uns der Film, kann man eben nicht kaufen. Und was noch? Dass superreiche Frauen einen Knall haben. Wie sich am kruden Ende zeigt. Schweizer Käse. KATJA KRAFT

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