Wer sind die wahren Entdecker Amerikas?

von Redaktion

Eine bayerische Archäologin begibt sich für die ZDF-Dokureihe „Terra X“ auf Spurensuche

Dass Christoph Kolumbus Amerika entdeckt hat, weiß doch jedes Kind. Schließlich singt man schon in der Vorschule das berühmte Lied über den italienischen Seefahrer, der wide-wide-witt-bum-bum 1492 in die Neue Welt aufbrach. Doch steht ihm der Ruhm wirklich zu? Oder profitierte er von den Aufzeichnungen um den Wikinger Leif Eriksson, der bereits 500 Jahre vor Kolumbus amerikanischen Boden betreten hat? Die ZDF-Wissenschaftsreihe „Terra X“ folgt an diesem Sonntag um 19.30 Uhr in der spannenden Dokumentation „Kolumbus und die wahren Entdecker Amerikas“ drei außergewöhnlichen Expeditionen, die der Wahrheit auf der Spur sind. Eines dieser Teams leitet die Archäologin Natascha Mehler. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt die Wissenschaftlerin, die im Chiemgau lebt, die Forschungsergebnisse.

Woher weiß man, dass der Wikinger Leif Eriksson lange vor Kolumbus in Amerika war?

Es gibt mittelalterliche Sagas, die in Island verfasst wurden und die ausführlich über die Reisen und Heldentaten von Leif Eriksson und seiner Familie berichten. Und dann verfügen wir auch noch über umfangreiche archäologische Belege aus den Sechzigerjahren, als bei Ausgrabungen eine Wikingersiedlung in L’Anse aux Meadows auf Neufundland entdeckt wurde.

Die Seefahrt von Grönland nach Neufundland war hochgefährlich. Warum sind die Wikinger dieses Wagnis eingegangen?

Das war, salopp gesagt, ihr Alltagsgeschäft. Um Robben und Karibus zu jagen, mussten sie mit dem Schiff nach Nordgrönland fahren. Außerdem brauchten sie dringend Holz, das es in ihrer Heimat nicht gab. Der Expeditionsdrang der Wikinger war also groß. Raue Seefahrten in unwirtliche Gegenden haben sie nie gescheut.

Haben die Wikinger auch auf amerikanischem Boden gelebt?

Ja, aufgrund der Ausgrabungen geht man davon aus, dass sie 30 bis 50 Jahre auf Neufundland gesiedelt haben. Ob sie dauerhaft da waren oder hin- und hergefahren sind, weiß man nicht.

Anhand von Feuersteinen können die Reiserouten der Wikinger nachvollzogen werden. Wie funktioniert das?

Man hat bei den Ausgrabungen in Neufundland eine Menge Feuersteine gefunden, die man der Gegend nicht zuordnen konnte. Die Wikinger haben sie sozusagen im Handgepäck mitgebracht. Anhand der Gesteinsproben lässt sich rekonstruieren, wo die Wikinger herkamen.

Christoph Kolumbus hat von den Expeditionen Erikssons profitiert? Wie hat er von ihnen erfahren?

Das ist Spekulation, aber es gibt einige Hinweise, dass Kolumbus bereits 1477 nach Island gereist ist. Dort hat er vermutlich von den Erlebnissen Erikssons erfahren.

Warum wurde die Geschichte um den berühmten Entdecker nie korrigiert?

Der Grund liegt wohl in der Forschungsgeschichte. Als Kolumbus 1492 den neuen Kontinent entdeckte, ging das so in die Geschichte ein. Es gab zwar später ein paar Gerüchte, dass die Wikinger vor ihm amerikanischen Boden betreten haben, aber die konnten lange nicht belegt werden. Im 16. Jahrhundert war man fest der Meinung, dass Kolumbus der Erste war. Heute wissen wir, dass das ein Irrtum ist. Aber Fake News lassen sich bekanntlich schwer aus der Welt schaffen – auch wenn sie 400 Jahre später widerlegt werden.

Das Gespräch führte Astrid Kistner.

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