Wenn man mit zehn Jahren erlebt, wie in der Nazizeit der Vater bei den Bürgermorden in Altötting erschossen wird und die Mutter vier Kinder allein durchbringen muss, dann legt sich ein Schatten über das Leben, der auch die Seele des Kindes verdunkelt. Schließlich das Kind aber hellsichtig macht. Es will wissen, wie das geschehen konnte, beginnt immer weiter zu suchen, den Dingen auf den Grund zu gehen, will wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Es kann sein, dass so der Charakter des kleinen Hans Riehl und nachmaligen Journalisten und „tz“-Chefredakteurs Hans Riehl seine entscheidende Prägung bekam. Haltung war es nämlich, was seinen Charakter prägte. Sein Freund, der Kabarettist Werner Schneyder, sagte über ihn: „Hans Riehl ist einer der redlichsten und anständigsten Menschen, die mir je begegnet sind. Ein Anwalt der Redlichkeit. Er versteht viel von Stimmen, liebt die Oper und die bayerische Lebensart. Der sonntägliche Biergarten gehört für ihn dazu. Er steht mit seiner Person für die Liberalitas Bavariae. Und trotz seiner Krankheit, die er bewundernswert trägt, brennt in ihm immer noch die Flamme der Empörung.“
Das ist nun Vergangenheit: Am Donnerstag ist Hans Riehl in einem Münchner Krankenhaus im Kreise seiner Familie 83-jährig gestorben. Der überzeugte niederbayrische Weltbürger, heiter von Gemütsart, aufgeschlossen, freundschaftsfähig, war nach dem Abitur Industriekaufmann geworden, aber bald zum Journalismus geschwenkt. Er begann in der „Abendzeitung“, ließ sich bald zur „tz“ locken, deren Chefredakteur er von 1973 bis 1997 war. Er hatte Durchblick, ohne je besserwisserisch zu sein, gab der Zeitung Farbe und Charakter. Es machte ihm Spaß, wenn er mit seiner leichten Feder etwas auf den Punkt gebracht hatte, was seine zahllosen Schüler und Freunde bewunderten.
Schon zu den Hochzeiten des TVs sagte er: „Wir Kinder des Fernsehzeitalters halten nicht mehr für unbedingt wahr, was wir schwarz auf weiß lesen. Die Redewendung ,lügen wie gedruckt‘ geht uns schnell von den Lippen. Nicht einmal jedem Bild wird getraut; es könnte sich ja um eine Fotomontage handeln. Wahr ist für uns deshalb allenfalls, was wir in bewegten Bildern sehen. Dabei können auch Filmdokumente lügen.“
Riehl wäre auch einer der Letzten gewesen, die unseren heutigen Täuschungen auf den Leim gegangen wäre. Die Wahrheit fand er immer in der Musik, vor allem bei Mozart, durchaus aber auch in guter Küche und bei seinen Freunden, vor allem den Kabarettisten – neben Werner Schneyder Dieter Hildebrandt und Gerhard Polt. Sie sahen in ihm eine verwandte Seele.