Inmitten des digitalen Medienwandels mit immer mehr Streamingplattformen will auch die ARD verstärkt exklusive Angebote über ihre Mediathek im Internet anbieten. Sie soll sich zu einem eigenständigen Streamingangebot hin entwickeln, wie Programmdirektor, Volker Herres gemeinsam mit dem ARD-Vorsitzenden, Ulrich Wilhelm, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz ankündigte. Um das Angebot der Mediathek insgesamt zu verstärken, werde es künftig eine integrierte Programmplanung in der ARD-Programmdirektion für das Erste und für die Mediathek geben.
Die Bedeutung des linearen Fernsehens – damit ist das fortlaufende Programm gemeint – ist nach wie vor groß. Aber es verringert sich zugleich auch durch Angebote abseits des klassischen Fernsehens. Die Zahl der Streaminganbieter steigt, und sie ziehen wie zum Beispiel der große Player Netflix Abonnenten an. Private und öffentlich-rechtliche Sender bieten ihrerseits abseits des klassischen Fernsehens Mediatheken an. Erst am Dienstag wurde etwa bekannt, dass die Plattform Joyn von Pro Sieben-Sat.1 nun auch einen kostenpflichtigen Ableger mit eigenproduzierten Serien an den Start gebracht hat.
Das Erste wiederum hat mit stetigen Quotensiegen im Abendprogramm Rückenwind für Nutzer der ARD-Mediathek. Herres zufolge erreicht das Erste im Schnitt am Tag rund 25 Millionen Menschen und sei mit 14,3 Prozent Marktanteil im zu Ende gehenden Jahr Marktführer am Hauptabend. Diese lineare Kraft lasse sich für die Mediathek nutzen. Zu diesem Zweck soll die Programmplanung zusammengezogen werden. Er empfinde das als einen ganz großen Schritt, der aber „dringend fällig war“, obwohl dies in einem föderalen Verbund wie der ARD nicht ganz einfach gewesen sei.
„Wir erleben eine Umbruchsituation in der digitalen Welt, die die Medienangebote und die Mediennutzung komplett verändert“, so Herres. Man müsse künftig Inhalte von Anfang an crossmedial über alle Ausspielwege hinweg denken: „Wir haben ja starke Inhalte, mit denen wir unsere Kundschaft optimal bedienen wollen.“ Eine Mediathek sei nicht mehr so etwas wie ein „Videorecorder“, bei dem man die verpasste Sendung noch einmal nachschauen könne, betonte Herres. „Es muss zunehmend ein Streamingangebot werden, ein eigenständiges.“ Dazu brauche es mehr Inhalte als jetzt: „Wir werden auch exklusiv für die Mediathek produzieren.“
Für die neue Struktur wird laut Wilhelm, der auch Intendant des Bayerischen Rundfunks (BR) ist, der Programmgeschäftsführer des jungen Internetangebots Funk von ARD und ZDF, Florian Hager, zum 1. Januar 2020 an Bord geholt – als stellvertretender Programmdirektor.
Ab 2020 hat der Westdeutsche Rundfunk (WDR) unter Intendant Tom Buhrow den Vorsitz inne. Die Diskussion um die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dürfte auch den neuen ARD-Chef begleiten. Der noch amtierende Vorsitzende und sein BR-Verwaltungsdirektor Albrecht Frenzel sahen sich am Mittwoch auch mit Journalistenfragen zu einem Gutachten der KEF über die Gehälter der Beschäftigten der ARD-Anstalten konfrontiert. Die seien überproportional hoch. Frenzel verwies auf ein „Ergänzungsgutachten“, demzufolge das Durchschnittsalter der Mitarbeiter um drei bis vier Jahre über dem des Öffentlichen Dienstes läge, der längeren Betriebszugehörigkeit entsprechend sei das Gehaltsniveau höher. Dies sei eine Folge des Personalabbaus, zu dem die Sender durch den Sparkurs gezwungen seien. Beziehe man diesen Aspekt in die Berechnungen ein, „ist die Abweichung nicht mehr signifikant“, so Frenzel.
Am höheren Altersdurchschnitt werde sich auch in absehbarer Zeit nichts ändern, prognostizierte Wilhelm: „Wir werden weniger junge Menschen einstellen können als der Öffentliche Dienst allgemein.“