Eine Frage der Ehre

von Redaktion

Das Erste zeigt erstmals Sandra Maischbergers Film über den Mord an Hatun Aynur Sürücü

VON ASTRID KISTNER

Drei Schüsse aus nächster Nähe – mitten ins Gesicht. Sie haben das Lachen und die Lebenslust, die Hatun Aynur Sürücü auf so vielen Fotos zeigt, für immer zerstört. Am 7. Februar 2005 wurde die Berliner Mutter von ihrem jüngsten Bruder auf offener Straße hingerichtet. „Ich war ein Ehrenmord“, heißt es im Film, der dem Opfer postum eine Stimme gibt. Sandra Maischberger hat das sorgfältig recherchierte Drama „Nur eine Frau“ im vergangenen Jahr als Produzentin in die deutschen Kinos gebracht. Die ARD zeigt das Andenken an die ermordete Hatun Aynur Sürücü heute um 20.15 Uhr erstmals im frei empfangbaren Fernsehen.

Auch nach 15 Jahren sind die Bilder von damals nicht verblasst: der schmale Körper unter einer weißen Plane, die vielen Blumen und Kerzen am Tatort, die Fotos von Aynur, wie sie mit Rufnamen hieß, und ihrem sechsjährigen Sohn Can, der so früh seine Mutter verlor. Der Fall der 23-jährigen Türkin erschütterte Deutschland. Sie musste sterben, weil sie mit der strengen kurdischen Tradition ihrer Familie brach und ein selbstbestimmtes Leben führen wollte.

Ein Stoff, aus dem Albträume sind. Doch Regisseurin Sherry Hormann („Wüstenblume“, 3096 Tage“) und Drehbuchautor Florian Oeller verzichten auf die ausführliche Inszenierung des Grauens. Stattdessen lassen sie Aynur ausschließlich aus ihrer Perspektive erzählen und finden mit Schauspielerin Almila Bagriacik die perfekte Besetzung.

Sie nimmt die Zuschauer an die Hand und eilt mit ihnen durch die Stationen ihres Lebens, von ihrer Schulzeit am Gymnasium in Kreuzberg, zur Zwangsheirat mit dem Cousin nach Istanbul. Hochschwanger flieht sie vor ihrem gewalttätigen Ehemann und kehrt zum Entsetzen ihrer Familie zurück in die Berliner Heimat. Eine Schande und der Beginn von Aynurs Befreiung.

Aus Wut über ihren Ungehorsam wird Hass, als Aynur mithilfe des Jugendamts samt Baby Can der häuslichen Enge entflieht. Sie holt den Schulabschluss nach, beginnt eine Ausbildung zur Elektroingenieurin und legt ihr Kopftuch ab. Gleichzeitig beginnt der Terror durch die eigene Familie. Die Eltern wenden sich ab, die Brüder beschimpfen sie als „Hure“ und tyrannisieren sie mit Telefonanrufen. Als Aynur sich auch noch in einen Deutschen verliebt, unterschreibt sie ihr Todesurteil.

„Nur eine Frau“ ist, so ungewöhnlich es klingen mag, kein deprimierendes Drama. Hormann packt viel von Aynurs Lebensfreude in diesen Film, und Hauptdarstellerin Almila Bagriacik bringt sie zum Funkeln. Schnelle Schnitte, mitreißende Musik und Lebensstationen, die im Stil eines Fotoromans zusammengefasst werden – die Zeit mit dieser jungen Frau, die trotz ihrer Abnabelung von den alten Traditionen versucht, die Liebe ihrer türkischen Familie zu erhalten, vergeht wie im Flug.

Dokumentarische Einschübe mit privaten Videos und Archivbildern erinnern immer wieder daran, dass dieses Schicksal auf Tatsachen beruht. „Nur eine Frau“ ist ein würdiges Denkmal für Hatun Aynur Sürücü, die einen unwürdigen Tod starb.

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