Als erste von Geburt an blinde Strafverteidigerin in Deutschland wurde die Berlinerin Pamela Pabst (Jahrgang 1978) bekannt, vor allem durch die ARD-Serie „Die Heiland – Wir sind Anwalt“, die von ihrem Schicksal inspiriert ist. Sechs Folgen der Geschichten um Romy Heiland zeigte das Erste im Herbst 2018, die Titelrolle spielte Lisa Martinek. als ihre Assistentin Ada Holländer war Anna Fischer zu sehen. Vor Drehbeginn der zweiten Staffel starb Martinek völlig überraschend mit nur 47 Jahren. Ihre Rolle übernahm Christina Athenstädt („Familie Dr. Kleist“). Vor dem Start der neuen Folgen, zu sehen ab heute immer dienstags um 20.15 Uhr, sprach unsere Zeitung mit der 41-jährigen Kölnerin.
Was haben Sie gedacht, als man Ihnen diese Rolle angeboten hat, die schon jemand anderes mit großem Erfolg gespielt hat?
Man hat sie mir nicht direkt angeboten, sondern ich wurde zu einem Casting eingeladen. Aber natürlich macht man sich Gedanken, unabhängig davon, ob man die Rolle auch bekommt: Soll ich diese Rolle spielen, kann ich ihr gerecht werden? Jetzt im Nachhinein bin ich froh, dazu Ja gesagt zu haben.
Sie werden mit Sicherheit an der prominenten Kollegin gemessen werden. Keine Angst davor, dass die Zuschauer sagen: „Die andere war aber besser?“
Sicher werde ich verglichen werden, aber es ist doch so, dass es immer Menschen geben wird, die das mögen, was man macht, und solche, die es nicht mögen. Ich kann Romy Heiland nur auf meine Art und Weise verkörpern, denn ich bin nun mal ich, und ich habe die Rolle mit der größtmöglichen Hingabe gespielt, das war ich der Kollegin schuldig.
Kannten Sie Lisa Martinek?
Nein, ich habe sie leider nie getroffen.
Wie bereitet man sich auf eine solche Aufgabe vor?
Ich habe mich mit einem Bewegungstrainer für Blinde vorbereitet, der mir gezeigt hat, wie man mit einem Blindenstock sozusagen sehen kann, wie man sich in der Öffentlichkeit orientiert. Und dann bin ich zuhause viel mit einer Augenbinde herumgelaufen, um alltägliche Wege einzuüben…
…hin zum Kühlschrank und zurück zum Tisch?
Genau! Wie findet man etwas, wie kennzeichnet man etwas? Man braucht eine ganz andere Ordnung, sonst wird man wahnsinnig, man kann ja nicht jedes Marmeladenglas erfühlen und nicht alles mit Blindenschrift beschriften. Das war schon eine wichtige Erfahrung. Am Ende habe ich versucht, mich ohne Augenbinde so zu bewegen, als würde ich eine tragen. Also die Dinge nicht zu fixieren, sondern sozusagen nach innen zu schauen. Das war eine große Herausforderung.
Mussten dann öfters als sonst Szenen wiederholt werden?
Ja, wobei ich da viel kritischer war als die anderen. Ich hätte oft lieber einen Take mehr gehabt, weil ich sicher war, in einem bestimmten Moment wie eine Sehende geschaut zu haben. Da gab es öfters Diskussionen mit der Regie.
Inwieweit hat die Arbeit Ihre Wahrnehmung von blinden und sehbehinderten Menschen verändert?
Ich habe ein größeres Bewusstsein dafür, das heißt, mir fallen blinde und sehbehinderte Menschen in meiner Umgebung mehr als früher auf. Manchmal denke ich, wenn ich in der Stadt unterwegs bin: Was wäre, wenn ich blind wäre? Hier gibt es nichts, woran ich mich orientieren könnte! Andererseits leben Blinde in einem anderen Rhythmus, manches geht eben nicht so schnell. Das wäre doch auch eine Option für uns, nicht immer mit einem Affenzahn durch die Gegend zu rennen.
Oft stellt sich ja die Frage, wann man Hilfe anbietet und wann besser nicht.
Ja, es gibt blinde Menschen, die sehr selbstständig sind und auch sein wollen und die das total nervt, wenn man helfen will. Andere kommen gar nicht gut zurecht und brauchen vielleicht mehr Hilfe, trauen sich aber nicht, darum zu bitten. Romy Heiland traut sich zu fragen, wenn sie Hilfe braucht. Sie ruft auch mal in einen Raum hinein: „Hallo, ist hier jemand?“ In anderen Dingen betont sie ihre Selbstständigkeit. Beides soll diese Serie transportieren. Insofern ist die Figur sehr nahe an der echten Pamela Pabst. Es war mir wichtig zu zeigen, wie viel möglich ist. Dass jemand trotz Sehbehinderung Jura studieren und erfolgreich als Anwältin arbeiten kann.
Wie war die Begegnung mit ihr?
Wunderbar! Ich war und bin sehr dankbar, sie kennengelernt zu haben, weil sie mich mit offenen Armen empfangen und mir alles gesagt hat, was ich wissen wollte. Sie ist mit der Serie sehr verbunden, ich konnte jederzeit anrufen, wenn ich Fragen zu den Büchern hatte, auch was juristische Begriffe und den Umgang mit Mandanten angeht.
Haben Sie juristisch auch profitiert?
Nachdem ich zum ersten Mal mit der Arbeit der Justiz Kontakt hatte, habe ich schon einiges gelernt, würde ich sagen.
Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.