Im Schatten der Macht

von Redaktion

Stefan Austs und Daniel Bäumlers sehenswertes Porträt von Hannelore Kohl im Ersten

VON CAROLINE BOCK

Ein Polizist gibt ihr Feuer, sie wirft den Kopf leicht nach hinten. Eine lässige Lady vor der Skyline von Chicago, es sieht aus wie eine Zigarettenwerbung. Von wegen Trutscherl aus der Pfalz. Das Foto stellt ein Image auf den Kopf – das der biederen Hausfrau mit Betonfrisur, das Hannelore Kohl über viele Jahre und viele Urlaube am Wolfgangsee hinweg verpasst wurde. An diesem Freitag um 18.30 Uhr porträtieren „Spiegel“-Ex-Chefredakteur Stefan Aust und sein Kollege Daniel Bäumler im Ersten eine Frau, deren Leben ein Stück Nachkriegsdeutschland spiegelt.

Hannelore Kohl (1933-2001) hatte auf die Politik ihres Mannes mehr Einfluss, als man meint: „Sie hat ganz erkennbar ihre eigene Rolle immer heruntergespielt“, sagt Aust. Der Untertitel der Doku, „Die erste Frau“, ist doppeldeutig. Sie war das sowohl für ihren Mann als auch im gewissen Sinne für die Bundesrepublik. Produzent des Films ist Nico Hofmann, der schon 2009 das Dokudrama „Der Mann aus der Pfalz“ drehte, das auf vielen Stunden Interviews mit Helmut Kohl basierte.

Was ist nicht schon alles über Helmut Kohl gesagt, gefilmt und geschrieben worden. „Die Walz aus der Pfalz“, wegen seines Dialekts verspottet und wegen seiner Physiognomie als „Birne“ tituliert, war der „Kanzler der Einheit“, der dem Osten „blühende Landschaften“ versprach, aber auch die CDU-Legende, die über die Spendenaffäre strauchelte.

Das alles ist bekannt. Doch wie die langjährige Frau an seiner Seite war, das wissen nicht so viele. Die sehenswerte Doku erzählt das Leben von Hannelore Kohl als deutsche Geschichte, chronologisch, mit viel Archivmaterial. Zeitzeugen wie der langjährige Fahrer Eckhard Seeber und die Haushälterin aus Bonner Zeiten, eine Freundin Hannelores, Journalisten und politische Weggefährten kommen zu Wort, auch Alice Schwarzer.

Der Ton des Films ist respektvoll, aber nicht anbiedernd. Helmut Kohl sei stolz gewesen auf seine Frau, heißt es, und in jungen Jahren ihr Beschützer. Ein gutes Team. Aber Hannelore Kohl, die fließend Englisch und Französisch sprach, war auch ein Opfer der Prominenz ihres Mannes, sie lebte in dessen „eisernen Machtsystem“, wie es heißt. Zur Sprache kommen ihre Kindheit in Leipzig, die Vergewaltigung der Zwölfjährigen durch sowjetische Soldaten 1945, das Verhältnis Kohls zu seiner Vertrauten Juliane Weber.

Getragen wird der Film von den Söhnen Peter und Walter Kohl. Beide blicken reflektiert zurück, zeigen Gefühle. Sie erlebten, was sich für die Familie wie Sippenhaft anfühlte, spürten die Bedrohung durch den Terrorismus in der BRD. Das Haus in Oggersheim war ein „Hochsicherheitstrakt mit Schulanschluss“, erinnert sich Peter Kohl. Die CDU war für seine Mutter wie eine Firma, bei der ihr Mann arbeitete, es hätte demnach auch eine andere Partei sein können.

Als Kohl 1982 Kanzler wurde, fremdelte seine Frau mit Bonn, sie ist nie allein und wird doch immer einsamer, so erzählt es der Film. Im Jahr 1993 erleidet sie durch den Behandlungsfehler eines Arztes einen allergischen Schock. Sie verträgt kein Licht mehr, der Kanzlerbungalow mit seinem vielen Glas wird zur Qual. Als Helmut Kohl 1998 abgewählt wird, bringt das die beiden einander nicht näher.

Dann gerät die CDU wegen der Spendenaffäre und schwarzer Konten ins Trudeln. Auch die in ihrer Stiftung für Unfallopfer engagierte Hannelore Kohl wird zur Beschuldigten. Seine Mutter sei angespuckt und als „Spendenhure“ beschimpft worden, erinnert sich Walter Kohl. Sein Bruder Peter sagt, bei seiner Mutter sei das Gefühl entstanden, alle Anstrengungen seien umsonst gewesen. Dazu die Krankheit. „Ich verbrenne von innen“, soll Hannelore Kohl gesagt haben.

Ihr Suizid sei „eine wohlüberlegte und auch vorbereitete Handlung, kein Affekt“ gewesen, sagt Walter Kohl. Zuerst seien sie als Familie zusammengerückt, dann kam Maike Richter. „Jetzt begleitete die neue Frau Helmut Kohl auf seiner letzten Wegstrecke. Hannelore Kohl war Geschichte.“

Wie zerrissen die Familie war, zeigen die Orte der letzten Ruhestätten. Helmut Kohl, gestorben 2017, ist in Speyer beerdigt, allein, Hannelore liegt im Familiengrab in Ludwigshafen.

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