Schon bald in diesem Film kommen Szenen, die Thomas Gottschalk zu Besuch beim Windsbacher Knabenchor zeigen – ein kleiner Saal, eine kleine Schar, die ihn mit großem Applaus begrüßt. „Selbst für die Sieben- bis Zwölfjährigen ist er ein Star“, heißt es dazu aus dem Off, „obwohl einige von ihnen noch nie eine Show mit ihm gesehen haben.“ Wie berühmt dieser Mann doch noch immer ist, denkt man sich als Zuschauer, und im selben Moment: Hier also sucht er sich jetzt sein Publikum?
Am 18. Mai wird der große Herbstblonde 70, dieses Datum hat der Bayerische Rundfunk zum Anlass für ein Fernsehporträt aus der Reihe „Lebenslinien“ genommen, das am Montag um 22 Uhr zu sehen ist und den Menschen hinter dem noch immer großen Namen zeigen will. „Der Thommy von nebenan“, lautet der Untertitel, doch so richtig nah kommen ihm Magdalena Adugna und Viktor Grandits nicht. Gottschalk bleibt stets unverbindlich, routiniert, obwohl die Gesprächsatmosphäre Intimität suggeriert.
Vom jüngeren Bruder Christoph, der ihn in den ersten Minuten dieses Porträts begleitet, erfährt man mehr über das Elternhaus im oberfränkischen Kulmbach, über den früh verstorbenen Vater, über die Mutter, die allein drei Kinder großziehen musste und vom jugendlichen Thommy aufgeheitert wurde, von seiner erster Liebe Bonnie, einer Britin mit indischen Wurzeln, die „die Beatles reinbrachte“ ins Leben des 17-Jährigen.
Wenn es um die Musik geht, ist Gottschalk plötzlich in seinem Element, dann sagt er für die Kamera noch einmal Shocking Blue an wie damals, in der Diskothek „Old Castle“ in Kulmbach. Später sieht man ihn im BR-Studio die alten Rockhymnen mitsingen, dann ist es wie damals, Ende der Siebzigerjahre, als der junge Wilde die junge Welle Bayern 3 aufmischte.
Der leidenschaftliche Radiomacher mit der blonden Lockenmähne und den lockeren Sprüchen, der ultimative ZDF-„Wetten, dass…?“-Moderator dito – auch diese Bilder zeigt der Film, Bilder, die schon so fern sind und doch vielen in so guter Erinnerung. Dass sich Gottschalk, die „lebende Legende“, zu wundern scheint über die Schlagzeilen, die seine Trennung von Ehefrau Thea nach 43 Jahren verursachte, wundert wiederum den Zuschauer. Ist das kokett? Ist er denn kein Promi, über den seine Fans (und nicht nur sie) alles wissen wollen? Einer, der die Öffentlichkeit braucht – und die Sympathien genießt, die ihm noch immer entgegengebracht werden.
Viele Sätze über das Verhältnis zwischen Star und Publikum, über das Geheimnis seines Erfolges fallen in diesem Film, viele davon klingen irgendwie einstudiert. Oder gibt’s da gar nichts zu erklären? „Die Leichtigkeit, mit den Leuten zu korrespondieren, muss einem gegeben sein“ sagt er da oder, mit Blick auf Wettpaten und Wettkandidaten in der ZDF-Show: „Ich habe immer versucht, die Kleinen groß und die Großen klein zu machen.“ Das Wort vom „Zirkuspferd“ fällt und auch das: „So lange die Leute mich sehen wollen…“.
Dass Gottschalk nach und außer dem Radiomachen und „Wetten, dass…?“ nicht allzu viel gelang, erwähnen die Autoren nur am Rande, dass er (nur) wegen seiner neuen Liebe Karina vor ein paar Monaten den BR Knall auf Fall verließ und zum Südwestrundfunk nach Baden-Baden ging, verschweigen sie.
Den „Thommy von nebenan“ – außer seiner Familie haben ihn wohl nur die Kochs kennengelernt, die Angehörigen des vor fast zehn Jahren in der ZDF-Show schwer verunglückten Wettkandidaten. Seine Eltern hätten den sprachlosen Thomas Gottschalk erlebt, den Thomas Gottschalk, der an seine Grenzen stößt, sagt ein immer noch junger Samuel Koch im Film. Er selbst dagegen einmal mehr den Entertainer, der ihm klargemacht habe, dass Lachen letztlich schöner sei als Weinen.