Ansteckend lustig

von Redaktion

Wie Wolfgang Ambros 1679 die Pest besiegte: Wiederentdeckung des Hörspiels „Augustin“

VON JÖRG HEINRICH

Mit rabenschwarzem Wiener Schmäh kann sogar eine Seuche lustig sein. Den Beweis haben 1980, genau 40 Jahre vor Corona, die Watzmann-Gipfelstürmer Wolfgang Ambros, Manfred Tauchen und Joesi Prokopetz angetreten. In ihrem vierten – und leider letzten – Hörspiel „Augustin“ besiegt Ambros als gleichnamiger Volkssänger im Jahr 1679 die Pest. Neben morbidem Humor („Und überall in der Stadt platzen die Pestbeulen auf“) bietet der heute fast vergessene „Augustin“ phänomenale Songs eines 28-jährigen Wolfgang Ambros auf dem Höhepunkt seiner Kunst. Die Pest-Geschichte ist so ansteckend lustig, dass der „Augustin“ heute mehr Spaß macht als der arg ausgelutschte „Watzmann“. Und die Parallelen zur Corona-Epidemie machen das Wiederentdecken des 36-Minuten-Stücks umso lohnender.

Nach der Goethe-Verwienerung „Fäustling“, nach dem „Watzmann“ und der Trambahn-Hommage „Schaffnerlos“ machen sich Ambros, Tauchen und Prokopetz auf ins Wien des späten 17. Jahrhunderts. Im Kolschitzky, dem ersten Kaffeehaus der Stadt, prahlen die alten Recken der Türkenkriege mit ihren Heldentaten. Und der versoffene Volkssänger Augustin alias Ambros muss immer wieder erzählen, wie er damals den Tod besiegt hat, den dürren Rippenkramer, den alle als „Gevatter Hein“ fürchten.

„Sing er uns a Liadl, a fesches“, fordern die Gäste. Und für einen Gulden und für ein Vierterl Wein gibt Ambros einige seiner allerfeschesten Liadln zum Besten. In „Frage der Zeit“ wird er philosophisch: „Damals um dieselbe Zeit, da war’s no ned so spät wia heit.“ In „Coffein“ rockt seine Band, die Nummer eins vom Wienerwald, so unwiderstehlich wie selten: „Ah, so a Kaffee ist herrlich, ja direkt unentbehrlich. Doch samma uns ehrlich, was hätt a Kaffee für an Sinn ohne Coffein?“

Und weil der Ambros-Augustin sein Motto „Gemma was trink’n“ viel zu ernst nimmt, wird es bald Zeit für die Prachtballade vom „Lokalverbot“. Doch mit dem Singen und Trinken ist es schnell vorbei. Denn auf dem Hohen Markt preisen nicht nur die Marktschreier „Kohlrabi, Donau-Fische, Sau kastrieren, schmerzlose Zahn-Extraktionen, Handlesen und Sauschädln“ an. Der „Neue Kronen-Trommler“, eine Parodie auf die Wiener „Kronen Zeitung“, verkündet schlimme Neuigkeiten: „Extra-Trommel! Tödliche Epidemie breitet sich aus! Die Pest in Wien!“ Da fühlt man sich beim Zuhören beinahe wie beim Lesen aktueller Schlagzeilen.

Weil die Wiener die von Ärzten vorgeschlagenen Hygienemaßnahmen missachten, sterben rund 12 000 Menschen. Die Pestgruben überall in der Stadt füllen sich mit Leichen. Der Augustin singt „Dies irae dies illa“, das Lied vom Jüngsten Gericht, vom großen Kehraus. Doch weil er Gevatter Hein in einem Beisl dazu überredet, mit ihm Brüderschaft zu trinken, überlebt der Volkssänger die Nacht in einer Pestgrube, in die er betrunken stürzt.

„Da lebt aaner“, graut es den Pestknechten, als der Augustin inmitten der Toten aufwacht. „Das geht schon in Ordnung. Das ist mein Bruder Augustin“, versichert ihnen Gevatter Hein – und die Pest ist besiegt. Corona dagegen wird uns noch länger beschäftigen. Und währenddessen gibt es kaum einen lustigeren Zeitvertreib, als sich den „Augustin“ anzuhören, auf CD oder bei den Streamingdiensten von Spotify bis Apple Music.

Wolfgang Ambros, Manfred Tauchen, Joesi Prokopetz:

„Augustin“ (Bellaphon).

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