Film ab? Maske auf!

von Redaktion

Dreharbeiten in Corona-Zeiten

VON S. THYSSEN, A. KISTNER UND TILMANN P. GANGLOFF

Die Senderchefs von ARD, ZDF und Co. könnten zurzeit eigentlich täglich die Korken knallen lassen – das Fernsehen ist so beliebt wie lange nicht. Klar, in Zeiten von Corona sind die Alternativen gerade am Abend überschaubar, da hängt man sich gerne ein Stündchen länger vor die Glotze. Aber natürlich gibt es für die Verantwortlichen genauso viel Grund zur Sorge. Eine Großzahl von Produktionen liegt seit Mitte März auf Eis. Dreharbeiten mussten unterbrochen oder ganz abgesagt werden. Am Montag setzten sich die großen Sender deswegen an einen (virtuellen!) runden Tisch, berieten über die Lage und stellten Forderungen an die Politik auf. Anlass für uns zu schauen – wie ist die Situation gerade? Wer darf wieder drehen, wer nicht? Und was bedeutet Corona für das Lieblingsformat der Deutschen, den „Tatort“? Wir fassen zusammen.

Wer darf zurzeit drehen?

Nachdem einige Wochen wirklich nichts mehr lief, erwachen nun die Serien aus dem Corona-Schlaf. „Sturm der Liebe“ etwa wird seit einigen Tagen wieder auf dem Gelände der Bavaria Film in Grünwald bei München gedreht, für „Rote Rosen“ geht es in Lüneburg weiter, für „In aller Freundschaft“ in Leipzig. Und die Dreharbeiten des Bayerischen Rundfunks für „Dahoam is dahoam“ wurden auch wieder aufgenommen. Der Grund, dass hier – natürlich je unter Einhaltung strikter Schutzvorkehrungen – wieder gearbeitet werden darf: Die Serien werden weitestgehend in Studios produziert, in denen kontrollierbare Bedingungen herrschen.

Allerdings: „In der sechswöchigen Pause wurden Drehbücher umgeschrieben, sodass Gruppenszenen sowie Szenen mit großer körperlicher Nähe aufgelöst wurden“, erklärt die Film- und Serienchefin des BR, Bettina Ricklefs. Zugleich sei die Zahl jener Darstellerinnen und Darsteller vorerst reduziert worden, die zu Risikogruppen gehören, also die Älteren und Kollegen mit Vorerkrankungen. Ein sogenannter „Medical Consultant“ (medizinischer Berater) kümmere sich vor Ort darum, dass die Maßnahmen wie etwa die Abstandswahrung eingehalten werden. Da heißt es dann bei den Proben erst „Maske auf“ und dann „Film ab!“ Viele Schauspieler schminken sich auch selbst, um keine zu große Nähe zur Maskenbildnerin zu bekommen. Wenn alles weiter nach Plan laufe, sei ein nahtloser Nachschub an neuen Folgen von „Dahoam is dahoam“ sichergestellt, so Ricklefs.

Wer darf noch nicht drehen?

Große Fernsehfilmproduktionen liegen nach wie vor brach. Betroffen ist alles, was zum Beispiel montags um 20.15 Uhr im ZDF läuft, dazu der Mittwochs-Film oder die Donnerstagskrimis im Ersten, genau wie die „Endlich Freitag“-Reihe. Der Grund: Anders als bei den Serien wird bei Filmen viel im Freien gedreht. Und Dreharbeiten im öffentlichen Raum sind derzeit untersagt.

Was bedeutet Corona für den „Tatort“?

Ausgerechnet im Jubiläumsjahr müssen die „Tatort“-Fans lange Zeit auf neue Fälle verzichten. Das liegt aber nicht an Corona, sondern an der längsten Sommerpause aller Zeiten, die die ARD, wie berichtet, mit den beliebtesten Folgen aus 50 Jahren bestreitet. Die Dreharbeiten des für den Herbst geplanten zweiteiligen Jubiläums-Krimis, in dem die Teams aus Dortmund und München gemeinsam ermitteln, mussten allerdings auch unterbrochen werden. Die Produktionsfirma arbeite derzeit an einem „Wiederaufnahmeszenario unter Berücksichtigung aller gesetzlichen Hygienevorschriften“, heißt es vom BR. Und danach? Müssen wir damit rechnen, dass dem beliebtesten TV-Format der Deutschen zum Start der neuen Saison am 6. September die Fälle ausgehen? „Für dieses Jahr sind wir mit Krimi-Premieren noch gut versorgt“, verspricht WDR-Fernsehspielchef Alexander Bickel. Einen ernsthaften Engpass erwarte er auch für 2021 nicht.

Das sagen die Sender

Bei der ARD gibt man sich entspannt. Christine Strobl, Chefin der Produktionstochter Degeto, die immerhin rund 160 Erstausstrahlungen im Jahr beisteuert, erklärt, dass die Sendeplätze in diesem Jahr „weitestgehend wie geplant“ bespielt werden könnten. Viele Produktionen, die zur Ausstrahlung anstehen, sind sendefertig oder in der Postproduktion, also der Nachbearbeitung wie dem Schnitt. Eine Lücke im nächsten Jahr wird sich aber sicher nicht vermeiden lassen. Zumal die Fußball-EM abgesagt wurde und Sendeplätze frei sind… Da braucht es noch ein Konzept, an dem schon gearbeitet wird.

Das fordern die Macher

Die Mediengruppe RTL hat Vertreter von ARD, ZDF und ProSiebenSat.1 am Montag zu einem (virtuellen) runden Tisch geladen. Klares Fazit: Die Branche hält einen flächendecken-den Neustart der Produktion für dringend notwendig. Dafür wurde über einen Leitfaden zum Arbeitsschutz diskutiert, zudem kam die Forderung nach einem Ausfallfonds auf, wenn künftig Drehs wieder abgebrochen oder verschoben werden sollten. Einen entsprechenden Vorschlag hätten die Branchenvertreter Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) unterbreitet, heißt es in einer Mitteilung von RTL.

Die Zahlen der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft sind tatsächlich dramatisch: Seit dem Ausbruch der Corona-Krise habe es mehr als 400 Drehabbrüche, -unterbrechungen oder -verschiebungen gegeben. Das Ganze entspreche einem Investitionsvolumen von etwa einer halben Milliarde Euro.

Artikel 2 von 2