Er ist der wohl bekannteste Alpinist der Welt: Reinhold Messner. Der frühere Extrembergsteiger und wagemutige Abenteurer stand als erster Mensch auf den Gipfeln aller 14 Achttausender im Himalaya und dem Karakorum. Er bestieg 1978 den Nanga Parbat als Erster im Alleingang und zwei Jahre später den Mount Everest, ebenfalls im Alleingang und ohne Sauerstoffflasche. Immer wieder drehte der 75-Jährige aber auch Filme. Seine neue Dokumentation „Mythos Cerro Torre“, die Arte an diesem Samstag um 20.15 Uhr zeigt, dreht sich um die angebliche Erstbesteigung des Cerro Torre in Patagonien.
Welche Lehren ziehen Sie aus der Corona-Krise? Sie waren ja sogar eine Zeit in München „gestrandet“.
Zuerst einmal, dass wir Menschen trotz unserer Wissenschaft im Großen und Ganzen der Natur ausgeliefert sind. Wir brauchen keine Außerirdischen und keine Atombomben, um uns umzubringen. Es reicht ein winziges Virus, das wir nicht einmal mit bloßem Auge sehen können, um die Welt lahmzulegen.
Sie sind 75 Jahre alt. Haben Sie Angst vor einer Ansteckung?
Nein, ich habe keine Angst vor einer Ansteckung. Wir Menschen um die 70 plus sollten aber bereit sein, daheim zu bleiben und die Regeln alle einzuhalten. Es ist viel wichtiger, dass die Jungen eine Chance haben, so langsam wieder ins praktische Leben zurückzukehren.
Ihre neue Dokumentation „Mythos Cerro Torre“ dreht sich um die Erstbesteigung des Cerro Torre in Patagonien 1959, die gar keine war.
Richtig, diese Erstbesteigung hat damals nicht stattgefunden, da bin ich mir hundertprozentig sicher, und die Fachleute, die ich hinzugezogen habe, sind das auch. Es ist damals ein Versuch gemacht worden, diese über 3000 Meter hohe Granitnadel zu besteigen, aber der ist nach etwa 300 Metern stecken geblieben. Der italienische Bergsteiger Cesare Maestri war 1959 nicht oben, wie er behauptet hat, und der österreichische Bergsteiger Toni Egger ist bei diesem Versuch gestorben, wobei wir nach wie vor nicht genau wissen, was da passiert ist.
Waren Sie überrascht von dieser Erkenntnis?
Nein, ich weiß es, seit Cesare Maestri 1970 den Berg dann tatsächlich bestiegen hat. Aber er hat 1970 eine ganz andere Route und eine völlig andere Methode gewählt, was mir als Bergsteiger eindeutig zeigt, dass die Besteigung 1959 nicht stattgefunden haben kann. Außerdem hat Maestri behauptet, dass er 1959 beim Aufstieg und beim Abstieg Bohrhaken in der Wand hat stecken lassen. Doch die wurden später nie gefunden.
Warum hat Maestri gelogen?
Das Wort Lüge würde ich nicht in den Mund nehmen. Es war einfach so, dass Maestri vor der Expedition hinausposaunt hat, dass es für ihn kein unmöglich gibt.
Das Gespräch führte Martin Weber.