Tief im Westen – da fing alles an. Und hier beginnt auch die sehenswerte Dokumentation, die Arte heute ab 21.45 Uhr zeigt. Mit dem Anfang des Lieds „Bochum“, nämlich, diesem Überhit von Herbert Grönemeyer.
„Mensch. Herbert.“ ist der nahe liegende Titel der Sendung. Er vereint die zwei wesentlichen Aspekte von Deutschlands erfolgreichstem Rockstar: Es ist Anspielung auf dessen Album „Mensch“, das 2002 erschien und so oft verkauft wurde wie keines zuvor in der deutschen Popgeschichte. Und macht deutlich, dass der 64-Jährige trotz allem Erfolg doch immer Mensch geblieben ist. „Das scheint uns Deutschen besonders wichtig zu sein. Wir verlangen von unseren Künstlern: Flieg für mich, aber bleib mit den Füßen am Boden. Bleib einer von uns“, reflektiert Grönemeyer selbst seine besondere Beziehung zum deutschen Publikum. Vielleicht ist er genau deshalb hierzulande so erfolgreich, weil er diesem Anspruch stets gerecht wurde.
Die Sendung ist ein Streifzug von den Anfängen als Musiker und Schauspieler im Schauspielhaus Bochum bis ins Jetzt, da er mit jeder neuen Single die Charts anführt und jedes seiner Stadionkonzerte in kürzester Zeit ausverkauft ist. Für Fans und Grönemeyer-Kenner hält sie nicht viel Neues bereit. Und trotzdem schaut man gerne zu. Weil Regisseur Hannes Rossacher auf das setzt, was sein Protagonist (neben singen, komponieren, tanzen, die Welt mit Wohltätigkeitsaktionen zu einem besseren Ort machen) am besten kann: Dönekes erzählen. Damit nimmt er auch die, die sich mit „Herr Bert“-Witzen über ihn und seine Art zu singen, lustig machen, sofort für sich ein. Wenn er sich selbst kaputtlachen muss über seine Anfänge in der Bochumer Künstlerszene. Oder wenn er stolz wie ein Kind mit einem Abschlusszeugnis voller Einser von der Premiere des „Faust“ in Paris erzählt. Inszenierung: Robert Wilson, Musik: Herbert Grönemeyer. „Magnifique!“, „excellent!“ sei die gewesen, tuschelten die Besucher in der Pause, der ihnen völlig unbekannte deutsche Komponist konnte es belauschen. „Endlich bekam ich mal Kritiken, in denen die Musik im Vordergrund stand“, erinnert er sich strahlend.
Es ist das alte Thema des Sängers, mit dem er immer wieder hadert: Ständig wird in seiner Heimat über die Liedtexte philosophiert. Dabei wiederholt er selbst unermüdlich, dass die doch eigentlich Nebensache seien. Auch in der Dokumentation. „Hauptsache, es entsteht durch den Gesang eine Atmosphäre. Wie bei Bob Dylan: Da verstehe ich auch nicht, was der singt. Gesang ist auch eine Emotion. Den Text kannst du doch im Nachhinein nachlesen.“
Das ist natürlich kokett. Und selbstironisch. Diese Kunst, über sich selbst zu lachen, hat er in seiner Wahlheimat Großbritannien gelernt. Als Regisseur Rossacher Grönemeyer bittet, den jungen Herbert, der während ihres Gesprächs im Hintergrund auf Leinwand zu sehen ist, zu beschreiben, gibt er zu: Damals war er noch etwas zu ernsthaft unterwegs. Die Leichtigkeit, sie kam erst mit den Jahren. Vielleicht auch mit dem wachsenden Erfolg. Wie der Megahit „Mensch“. Noch so eine Anekdote: „Als ich die Platte meinem Vater, der da schon schwer an Parkinson erkrankt war, präsentierte und von dem irrsinnigen Erfolg erzählte, sagte er nur: ,Werd’ mir bloß nicht arrogant.‘ Das war das Letzte, was er mir mit auf den Weg gegeben hat.“ Der Sohn hat Wort gehalten.