Die introvertierte Caroline Binder leidet an einem angeborenen Herzfehler. Nach der Operation ist sie völlig verändert. Sie hat plötzlich Panikattacken, stellt ihrem Operateur nach und verhält sich auch sonst merkwürdig. Unter dem Titel „Herzjagen“ verfilmte Elisabeth Scharang für die ARD den Roman „Herznovelle“ von Julya Rabinovich. Die Hauptrolle in dem Drama, das das Erste heute um 20.15 Uhr zeigt, spielt die gebürtige Münchnerin Martina Gedeck.
Hat Ihnen schon einmal das Herz buchstäblich bis zum Hals geschlagen?
O ja, und zwar als ich vor ein paar Jahren mal sehr verliebt war. Da hatte ich tatsächlich Herzrasen, Herzjagen oder wie immer man das nennen will. Das war ein ganz seltsames Gefühl, aber in diesem Augenblick auch ein sehr schönes.
Das Herz ist kein gewöhnliches Organ, sondern wird in der Dichtung auch als Sitz der Seele besungen…
Ich begreife das Herz in erster Linie als Organ, das im Körper eine zentrale Rolle spielt.
Eine Herzoperation, der sich auch die von Ihnen gespielte Caroline im Film unterziehen muss, kann erheblichen Einfluss aufs Seelenleben haben…
Das stimmt, vor allem eine Operation am offenen Herzen kann ja im schlimmsten Fall sogar zu einer Traumatisierung führen.
Was genau ist Carolines Problem?
Sie hat bislang aufgrund ihrer chronischen Herzinsuffizienz ein sehr ruhiges Leben geführt. Nach der Operation ist sie dann plötzlich gesund, sie ist körperlich ein ganz neuer Mensch und muss sich damit erst mal zurechtfinden. Aber das gelingt ihr nicht und sie kriegt Panikattacken.
Doch dann akzeptiert sie ihre Angst…
Genau, und das ist für sie wie eine Rebellion. Sie will nicht nur funktionieren, was für ihre Mitmenschen allerdings nicht ganz einfach ist.
Können Sie das nachvollziehen?
Durchaus, wir alle wurden doch gerade jetzt in der Corona-Krise mit Dingen konfrontiert, die vorher undenkbar waren. Viele von uns mussten ein deutlich reduzierteres Leben führen und sind auch nur schwer damit zurechtgekommen. Insofern kommt der Film zur rechten Zeit, finde ich.
Wie sind Sie mit der Krise zurechtgekommen?
Ganz gut eigentlich, aber die Krise war auch für mich eine große Umstellung. Der Gedanke, dass ich mit diesem Problem nicht allein bin, hat mir schon sehr geholfen.
Welche Auswirkungen hatte die Krise auf Sie?
Unter anderem, dass die Premiere von „Gefährliche Liebschaften“ am St. Pauli Theater in Hamburg, für das ich unter der Regie von Jürgen Flimm geprobt habe, kurzfristig abgesagt werden musste. Auch andere Auftritte wurden abgesagt, Dreharbeiten auf unbestimmte Zeit verschoben. Ich bin seit Beginn der Krise zu Hause.
Wie beschäftigen Sie sich?
Ich mache Dinge im Haushalt, zu denen ich sonst nicht komme, räume Dinge hin und her, solche Sachen. Ich habe bislang eigentlich gar nicht so viel Filme geguckt oder all das gelesen, was ich immer schon mal lesen wollte, darauf habe ich komischerweise meistens keine Lust. Ich will in der Wirklichkeit sein.
„Angst ist ein überschätztes Gefühl“, sagt die von Ihnen gespielte Caroline gegen Ende des Films. Würden Sie das unterschreiben?
Sie meint damit, dass man nicht zum Sklaven der Angst werden muss, und das würde ich unterschreiben. Man braucht keine Angst vor der Angst zu haben. Die Angst schrumpft, wenn man sich ihr stellt und nicht davonläuft.
Das Gespräch führte Cornelia Wystrichowski.