„Ich singe unter jeder Dusche“

von Redaktion

INTERVIEW Schauspielerin Annette Frier über ihr Projekt „Unvergesslich“ um einen Chor für Demenzkranke

Comedysendungen wie die „Wochenshow“ (Sat.1) machten sie bekannt – doch Annette Frier wollte nie auf die Ulknudel vom Dienst reduziert werden, erspielte sich sehr gute Kritiken durch ihre Rolle in dem Fernsehfilm „Nur eine Handvoll Leben“. Für das vierteilige ZDF-Sozialexperiment „Unvergesslich“, dessen erste Folge heute um 22.15 Uhr zu sehen ist, gründete die 46-jährige Kölnerin im Januar, noch vor Corona, in einem Kölner Seniorenheim einen Chor für Menschen mit Demenz. Ziel der Aktion war, den Betroffenen neue Lebenslust zu vermitteln.

Welche Rolle spielt Musik in Ihrem Leben?

Eine große. Ich singe unter jeder Dusche.

Welche Lieder haben Sie mit dem Demenzchor gesungen?

Bei den wöchentlichen Chorproben haben wir zum Einsingen alte Volkslieder angestimmt, „Hoch auf dem gelben Wagen“ zum Beispiel, „Das Wandern ist das Müllers Lust“ oder auch „Ein Freund, ein guter Freund“. Für unser Abschlusskonzert hatten wir zwei tolle Songs geplant – „Und immer wieder geht die Sonne auf“ und „Über den Wolken“ von Reinhard Mey.

Das Abschlusskonzert, in dem die Erkrankten vor Publikum singen sollten, konnte aber wegen Corona nicht stattfinden…

Ja, das war traurig. Unser Abschlusskonzert sollte Mitte März in Köln vor 600 Leuten über die Bühne gehen, wir hatten ausverkauftes Haus. Es wurde am Abend vorher abgesagt – das war die Woche, in der wegen Corona alles dichtgemacht wurde.

Bewerten Sie das Projekt dennoch als Erfolg?

Mehr als das, ich empfinde es als Geschenk, und ich glaube, dass viele Chormitglieder das genauso beschreiben würden. Es ging ja um die ganze Reise, die wir miteinander gemacht haben. Aber das Konzert wäre als Höhepunkt schon wichtig gewesen. Und eigentlich sollte der Chor nach dem Abschlusskonzert auch weitergehen, die Finanzierung des Projekts war für ein Jahr gesichert, denn das gemeinsame Singen soll ja etwas sein, das die Leute regelmäßig machen. Nur geht das halt im Moment nicht.

Hat das Singen den Teilnehmern Ihres Chorprojekts geholfen?

Sehr, das haben auch die Wissenschaftler bestätigt, die das Projekt begleitet haben. Eine Teilnehmerin hat zum Beispiel wieder angefangen zu reden, hat zuhause wieder mehr an den Abläufen teilgenommen. Jede der samstäglichen Chorproben hat die Stimmung gehoben. Und unter der Woche haben die Leute sich darauf vorbereitet und gefreut. Man kann Demenz zwar leider nicht heilen, aber es geht für jeden Menschen ums subjektive Wohlempfinden, egal ob er dement, ängstlich, alt, schwach oder krank ist.

Sie berichten in der Reihe auch von einem Demenzfall in Ihrer eigenen Familie, Ihre Großmutter mütterlicherseits erkrankte schon mit 50 Jahren. Angst, das geerbt zu haben?

Ich habe keinerlei vorauseilenden Ängste, die lasse ich nicht zu, prinzipiell nicht. Meine Großmutter hatte tatsächlich eine andere Krankheit mit einem sehr komplizierten Namen, die aber viele Symptome von Demenz beinhaltet. Als Kind ist mir immer aufgefallen, dass sie zwei Dinge genossen hat – gemeinsames Essen und Musizieren. Das hat sich bei mir eingebrannt.

Welche Lieder würden Sie denn singen, wenn Sie mal alt und vergesslich sein sollten?

Mein Stammhirn ist sehr kölsch geprägt. Was für unseren Chor „Hoch auf dem gelben Wagen“ war, das sind für mich kölsche Lieder. Wenn es bei mir mal eng wird, werde ich wahrscheinlich „En unserem Veedel“ singen.

Das Gespräch führte Cornelia Wystrichowski.

Die weitere Folgen

laufen jeweils dienstags um 22.45 Uhr im ZDF.

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