Nach 18 Jahren hört der Journalist Hans-Ulrich Jörges mit seiner Politikkolumne „Zwischenruf aus Berlin“ im „Stern“ auf. Fast 1000 Texte kamen in dieser Zeit zusammen. Auf die Frage, ob er weiter als Journalist tätig sein werde, sagte der 68-Jährige: „Ich will nicht. Nach meinem Selbstgefühl heute ist dieser Beruf abgeschlossen, er liegt hinter mir.“
Jörges, der auch immer wieder als Gast in politischen Talkshows auftrat, war eines der prominenten Gesichter des „Stern“. In seiner letzten Kolumne im aktuellen Heft, der er den Titel „Ein scharfes Schwert“ gab, dankte der Autor für die Unterstützung des Verlags Gruner + Jahr, die er in all den Jahren bekommen habe – auch dann, wenn es Gegenwind für ihn aus der Politik gegeben habe. Er werde nun ein Buch schreiben, kündigte der Politikjournalist an. Es handele sich um einen „zeitgeschichtlichen Roman“, in dem auch seine Erlebnisse zu Zeiten des Kalten Krieges eine Rolle spielten.
Auf die Frage, an welchen Politikern er sich in seiner Zeit als Kolumnist am meisten abgearbeitet habe, sagte Jörges: „An Gerhard Schröder und Angela Merkel.“ Im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Politik der Bundeskanzlerin räumte er zugleich ein, einen seiner „schwersten Fehler“ begangen zu haben: „Ich habe immer wieder damit gerechnet und durchkalkuliert, dass sie vorzeitig das Kanzleramt verlässt, um ihrer Nachfolgerin oder ihrem Nachfolger eine bessere Chance bei der nächsten Bundestagswahl zu verschaffen. Da habe ich komplett falsch gelegen.“ Er glaube zugleich heute, „dass sie noch versucht sein könnte, die erste Bundespräsidentin zu werden“. Wer aus seiner Sicht der nächste Bundeskanzler oder die nächste Bundeskanzlerin wird? „Heute am ehesten Markus Söder.“
Seine Kolumnen schrieb Jörges früher stets in der Redaktion, seit ein paar Jahren aber zu Hause: „Ich war zum Teil sehr früh im Büro und habe geschrieben, wenn noch kein Kollege da war –weil ich da auch mal heftig geraucht habe, was ich heute nicht mehr tue.“ Die Vorzüge des Schreibens in den eigenen vier Wänden habe er erst spät entdeckt.
„Stern“-Chefredakteurin Anna-Beeke Gretemeier schreibt im Editorial des Magazins an Jörges gerichtet: „Du hast stets gesagt, was Du denkst, auch wenn es unbequem war. Hast gern andere überzeugt – und Dich seltener selbst überzeugen lassen. Du bist ein sehr gerader Mensch, der stets offen mit seinen eigenen Fehlern umgegangen ist – bis zum Schluss.“
Die Nachfolge für Jörges steht bereits fest. „Stern“-Chefredakteur Florian Gless wird nach Verlagsangaben ab nächster Woche eine eine Seite umfassende wöchentliche Kolumne starten. Darin soll es anders als bei Jörges nicht um das „politische Berlin“, sondern um gesellschaftliche Entwicklungen gehen.