Die Reise geht weiter

von Redaktion

ARD zeigt anlässlich des 75. Geburtstags von Wim Wenders den Dokumentarfilm „Desperado“

VON ESTEBAN ENGEL

In der Anfangsszene von „The Million Dollar Hotel“ lässt Wim Wenders den jungen Tom Tom von einem Hochhausdach über Los Angeles in die Tiefe springen. Während er fällt, blickt Tom Tom in all die Wohnungen und stellt überrascht fest: Hinter den Fenstern gibt es tatsächlich wahres Leben. Menschen lieben, streiten, sprechen miteinander. Für eine Umkehr in die Welt, die er gerade verlässt, ist es für Tom Tom (Jeremy Davies) allerdings zu spät. Könnte diese Szene aus dem Jahr 2000 für das Gesamtwerk von Wim Wenders stehen?

Der Regisseur, der an diesem Freitag 75 Jahre alt wird, fängt das Leben ein, wie es oft spielt – im freien Fall oder als lange Reise. Als Jugendlicher hatte Wenders seine Liebe zum Film entdeckt, filmte mit Super-8 im Ruhrgebiet rauchende Schornsteine und drehte Kurzfilme. „Ich hatte viele Träume“, verrät er in der Dokumentation „Wim Wenders, Desperado“, die das Erste am heutigen Freitag um 23.50 Uhr zeigt. Architekt, Arzt, Philosoph, Priester, Maler – das Kino sei das einzige Metier, das mit all dem zu tun habe.

So wurde zu Beginn seiner Karriere das Roadmovie Wenders’ Lieblingsgenre. Ob im frühen Schwarz-Weiß-Meisterwerk „Im Lauf der Zeit“ (1976), beim Trip entlang der innerdeutschen Grenze in „Der Stand der Dinge“ (1982), in der Wüste von „Paris, Texas“ (1984) und selbst im „Himmel über Berlin“ (1987) – im Reisen, im Flüchtigen kommen die Menschen bei Wenders zu sich. Wilhelm Ernst Wenders, so sein bürgerlicher Name, ist stets auf Fahrt. Erzählen, sagt er, sei, wenn man nicht wisse, wie es ausgeht.

Der Filmemacher, der mit seinen Werken viel Ruhm erntete und mit seinen Bildern voller Melancholie und Sehnsucht das neue deutsche Kino weltweit bekannt machte, will anders als vor fünf Jahren diesmal nicht groß feiern. Er hält sich in Frankreich für ein neues Projekt auf. Außerdem arbeitet er an einem Dokumentarfilm über den Schweizer Architekten Peter Zumthor.

Dokumentarfilme sind für Wenders zuletzt immer wichtiger geworden. Hier findet er jene Freiheit, die ihm das von stringenten Büchern dominierte Kino heute nicht mehr gewährt. So entstanden Arbeiten über den Buena Vista Social Club, den Fotografen Sebastião Salgado, die Choreografin Pina Bausch und Papst Franziskus. Deshalb ist auch „Desperado“ das passende Geschenk zum 75.

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