Genickschläge für einen Frauenschwarm

von Redaktion

In seiner Autobiografie erzählt Schauspieler Robert Atzorn aus seinem Leben und von seiner Karriere

VON ULRIKE CORDES

Der Schauspieler Robert Atzorn genießt nach wie vor den Ruf, einer der prominentesten deutschen Fernsehstars zu sein. Der 75-Jährige glänzte in Produktionen wie „Oh Gott, Herr Pfarrer“ (1988/89), „Unser Lehrer Doktor Specht“ (1992-1999), im Hamburger „Tatort“ (2001-2008) oder zuletzt als Ermittler auf der Insel Sylt in „Nord Nord Mord“ (2011-2018). Dass das Leben des Frauenschwarms viele Jahrzehnte lang von Komplexen geprägt war, mag man gar nicht glauben. Doch genau so war es, wie Atzorn in seiner Autobiografie „Duschen und Zähneputzen – Was im Leben wirklich zählt“ gesteht. Wie er auch seinen Kampf um innere Freiheit und die Entwicklung zu seiner Persönlichkeit schildert – und den Beitrag seiner zweiten Ehefrau und Kollegin Angelika Hartung daran.

Die Anregung zu seinen Memoiren sei vom Verlag gekommen, erzählt der am Chiemsee lebende Künstler. „Mir wurde sehr schnell klar, dass ich was geraderücken muss über Schauspieler. Zeigen, wie schwer der Beruf auch sein kann. Ich war ja bereits Mitte 40, als es mit der Karriere losging. Doch was war in den 20 Jahren vorher?“

Blickt man anhand des Buchs, zu dem Atzorns Frau eigene Kapitel beigesteuert hat, auf die Ursachen für die Probleme des in Oldenburg (Niedersachsen) und Hamburg aufgewachsenen Mannes, stößt man auf ein Stück deutscher Zeitgeschichte. Denn Atzorn litt unter seinem aus Krieg und russischer Kriegsgefangenschaft verstummt und überstreng zurückgekehrten Vater, einem späteren Journalisten. Auch die Mutter, eigentlich Sängerin, verfiel in Schweigen und Depression. „Es ist natürlich klar, dass wir alle von traumatisierten Eltern großgezogen sind“, sagt der 75-Jährige über seine Generation: „Mein Vater konnte überhaupt keine Gefühle mehr äußern.“ Erst bei einer von ihm und seiner Frau vorgenommenen sogenannten Familienaufstellung sei klar geworden, wie tief die Verletzungen beim Vater waren. „Und dass der wie wohl alle Offiziere und Soldaten seine Gefühle abstellen musste, um seelisch zu überleben. Sonst kann man das ja weder als Täter noch als Opfer aushalten.“

Nach dieser Erkenntnis habe er seinem Vater verzeihen können. Auch Therapien, Yoga und Seminare, zu denen ihn zunächst seine Frau animiert habe und bei denen sie einander gegenseitig unterstützten, hätten bei ihm zur Gesundung geführt. Noch heute macht Atzorn Yoga und meditiert jeden Tag.

Vor seinem beruflichen Durchbruch Ende der Achtzigerjahre hat er nach eigenen Worten auch seitens seiner Kollegen zahllose Genickschläge erfahren, nach denen er immer wieder aufgestanden sei. „Ich hab’ viel eingesteckt in meinem Leben. Zeiten, in denen ich auch schlecht war und den Beruf gar nicht kapiert hatte. Ich lernte, wie man mit diesen Schlägen umgeht. Im Nachhinein betrachtet, hat es alles auch seine Folgerichtigkeit – wie Schritt für Schritt von Engeln geführt“, sagt der Star. So habe etwa die Theatergröße Peter Zadek einst über ihn gesagt: „Er ist das spießigste Arschloch, das ich je auf einer Bühne gesehen habe.“

In seiner Kindheit in der Nachkriegszeit habe ihn erst einmal sein Großvater in Oldenburg gerettet. „Es war toll, dass ich auch mal einen Mann liebevoll erleben konnte. Er war voller Wärme. Dadurch wurde ich aufgefangen“, erinnert sich der 75-Jährige. Später als Jugendlicher lebte er seine Gefühle am Schlagzeug im Mietshauskeller aus, wollte Rockmusiker werden. Heute nun genieße er ein intensives Familienleben mit zwei Enkeln und einer Enkelin. „Wir haben ein wunderbares Verhältnis untereinander, meine Söhne leben in der Nähe“, sagt Atzorn. Auch Gespräche mit Freunden seien wichtig. Und unmissverständlich fügt er hinzu: „Die Schauspielerei ist beendet – da fehlt mir nichts.“

Robert Atzorn: „Duschen und Zähneputzen“. Eden Books, 272 Seiten; 22 Euro.

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