Ende des 19. Jahrhunderts bestand das Oktoberfest zwar schon 90 Jahre, doch getrunken wurde in Buden mit jeweils maximal 150 Gästen. Das änderte sich, als der Nürnberger Großbrauer Georg Lang (1866-1904) auf die Wiesn drängte, um dort eine „Bierburg“ für 6000 Besucher zu bauen. Gegen den Widerstand der Münchner Brauereien, die das große Geschäft mit dem Durst alleine machen wollten. Georg Langs am Ende erfolgreicher Coup stand Pate für den fiktionalen Sechsteiler „Oktoberfest 1900“, den die ARD heute, morgen und am nächsten Mittwoch in Doppelfolgen zeigt. Nach dem Buch von Ronny Schalk und Christian Limmer entstand mit Starbesetzung ein opulentes Epos über den blutigen Kampf zweier Bierdynastien. Georg Lang, der im Film Curt Prank heißt, wird gespielt von Misel Maticevic, Regie führte Hannu Salonen.
„Oktoberfest 1900“ ist ein blutiges Intrigenspiel vor dem Hintergrund eines Volksfestes – man fragt sich als Zuschauer: Was ist daran historisch? Vermutlich doch nur, dass da ein Nürnberger Brauer auf die Münchner Wiesn drängt?
Ich musste mich auch erst in die Historie einlesen. Dieser Georg Lang war ein toller Typ, weil er den Mut hatte zu sagen: Ich baue eine „Bierburg“ für 6000 Menschen inmitten der kleinen Buden. Das hat Potenzial für eine große Geschichte, „bigger than life“ sozusagen. Mir war klar: Das muss ich machen!
Der Curt Prank im Film wird zum Mörder, um seine Pläne zu verwirklichen…
Na ja, natürlich ist der echte Georg Lang nicht über Leichen gegangen – vermute ich jetzt mal. Wir haben nicht versucht, sein Leben nachzuzeichnen. Er diente vielmehr als Impuls für unseren Film.
Es ist viel Gewalt im Spiel, und es gibt eine Menge Tote…
Für mich war wichtig, dass die Gewalt motiviert ist. Der Zuschauer muss nachvollziehen können, dass die Figuren im Film irgendwann zum Äußersten bereit sind. Aber es gibt nur wenige Szenen, in denen man die Gewalt sehen kann. Man sieht meistens nur das Ergebnis. Die Bilder sollen in den Köpfen entstehen.
Wenn man die Kulissen sieht, muss man den Eindruck bekommen, dass die Wiesn zur Jahrhundertwende ein Unterschichtfest war. Ist das historisch?
Nein, und diesen Eindruck wollten wir auch gar nicht erwecken. Auf unserer Wiesn gibt es verschiedene Gassen. Solche, in denen die Leute gesoffen haben und Sex miteinander hatten, und solche, durch die die Bürger in Sonntagskleidung flaniert sind. Aber natürlich gab es in München wie anderswo auch extreme Klassengegensätze. wir wollten in „Oktoberfest 1900“ auch das Aufkommen eines brutalen Kapitalismus zeigen. Um 1890 gab es in München 150 kleine Brauereien, 15 Jahre später waren es nur noch zehn. Die Großen haben die Kleinen plattgemacht.
Mit welchen Reaktionen der Münchner Wiesn-Wirte rechnen Sie? Den Großgastronomen von damals stellen Sie ein schlechtes Zeugnis aus…
Man muss unterscheiden zwischen Wirten und Bierbrauern. Die Wirte kommen, wie ich finde, in unserem Film ganz gut weg. Die, die das Bier auf den Markt geworfen haben, das waren damals die Mächtigen! Und dass die ihre Macht gegen den Konkurrenten aus Nürnberg mit allen Mitteln verteidigen, ist doch nur logisch. Von diesem Antagonismus lebt dieser Film. Da ist „political correctness“ fehl am Platz.
Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.