Viele überrascht vielleicht, dass es die Sendung noch gibt“, eröffnete Dieter Nuhr am vergangenen Donnerstag seine Satireshow „Nuhr im Ersten“. Ein Satz, der auf die Kritik anspielt, der sich der 59-Jährige spätestens seit seinem Spott über „Fridays for Future“-Frontfrau Greta Thunberg vor einem Jahr ausgesetzt sieht (wir berichteten). Seitdem wird Nuhr vor allem von links hart angegangen, auch Rufe nach einer Absetzung seiner Show werden laut. Wie Nuhr seine Kritiker sieht, erläutert er im Gespräch.
Ihr aktuelles Programm heißt „Kein Scherz!“ – das suggeriert, dass der Abend nicht so lustig werden wird.
Im Gegenteil. Es wird sehr viel gelacht. Der Titel ist ja auch nicht ganz unironisch. Allerdings – je mehr sich Realität und Wahnsinn annähern, umso mehr muss man ab und zu betonen, wenn doch etwas ernst gemeint ist.
Früher haben Kabarettisten nie die eigene Person zum Thema gemacht. Sie haben sich in Ihrer ARD-Sendung schon öfter sozusagen „selbst erklärt“. Was hat Sie dazu bewogen?
Früher war eben manches anders. Früher gab es kein Internet, man wurde auch nicht ständig mit falschen Etiketten belegt, verdreht zitiert oder diffamiert. Heute wird man selbst in ehemals seriösen Zeitungen ständig mit falschen Fakten konfrontiert, was die eigene Person angeht. Dagegen muss man sich wehren. Also wehre ich mich. Und es wirkt, nicht in den Wutbürgermilieus links und rechts vielleicht, aber bei der Mehrheit.
In jüngster Zeit scheinen sich „Missverständnisse“ zwischen Publikum und Künstlern zu häufen. Ihnen wird unterstellt, dass Sie eine Art „AfD-Philosoph“ seien, jüngst hat man Lisa Eckhart Antisemitismus vorgeworfen. Versteht das Publikum keine Ironie mehr – oder drücken sich Kabarettisten missverständlich aus?
Wenn ich als „AfD-Philosoph“ beleidigt werde, dann beruht das nicht auf einem Missverständnis! Das ist eine gezielte Diffamierung. So eine Formulierung wird bewusst eingesetzt, um mich aus dem Kreis zivilisierter Diskutanten auszuschließen. Mein Publikum weiß, dass ich keine Gelegenheit auslasse, mich gegen Extremisten von rechts und links zu wenden, also auch immer und immer wieder dezidiert gegen die AfD. Wer mich in deren Nähe stellt, lügt, um meine Position, meine Haltung zu diskreditieren. So etwas haben früher die Nazis gemacht, heute ist das auch unter Linken normal.
Sie haben erst vor wenigen Tagen bei Twitter wieder für einen „Shitstorm“ gesorgt durch Ihren Satz, der „Shitstorm“ sei die „humane Schwester des Pogroms“. Mit Verlaub, beim Pogrom sind Menschen ganz real verletzt oder getötet worden…
Ich habe den Shitstorm die „humane Schwester des Pogroms“ genannt, eben weil beim Shitstorm niemand physisch verletzt wird, sondern weil es „nur“ um die soziale Vernichtung der Person geht, deswegen ja „human“. So habe ich es auch erklärt. Die Parallelen sind offensichtlich, die Funktionsweise, die Dynamik, die Psychologie ähneln einander aufs Haar. Ein Mob rottet sich zusammen, nicht wie früher mit Fackeln und Mistgabeln vor dem Stadttor, sondern nun vor der Tastatur, die Stimmung eskaliert und am Ende wird versucht, eine missliebige Person zu lynchen, wie gesagt und gern noch mal betont, nicht physisch, sondern psychisch. Übrigens kommen auch konkrete Vernichtungsfantasien in fast jedem Shitstorm vor.
Haben Sie schon einmal überlegt, sich für eine Weile zurückzuziehen?
Eher im Gegenteil. Mich motiviert die zunehmende Ideologisierung der Gesellschaft zum Weitermachen. Mein Humor richtet sich ja im Wesentlichen gegen Hysterie und Radikalität jeder Art. In den Krawallmedien steht häufig, ich würde wüten. Im Gegenteil! Ich bin meist ruhig und nachdenklich, und recht viele Leute geben mir zu verstehen, dass sie eine solche Stimme gerne hören. Das spornt mich immens an.
Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.