„Wir müssen aufstehen“

von Redaktion

INTERVIEW Autor Leo Khasin über seinen ZDF-Fernsehfilm „Das Unwort“ und antisemitisches Mobbing

Es ist harter Stoff, und doch bringt einen dieser Film immer wieder zum Lachen – „Das Unwort“, zu sehen am Montag um 20.15 Uhr im ZDF, handelt von antisemitischem Mobbing an Schulen. Im Interview mit unserer Zeitung spricht Autor und Regisseur Leo Khasin (47), der selbst aus einer jüdischen Familie stammt, über seine Recherchen und den Wunsch, mit seinem Film die „schweigende Gesellschaft“ aufzurütteln.

Sie haben Ihre Geschichte in einer Schule angesiedelt. Warum? Manifestiert sich dort der Antisemitismus auf besondere Art und Weise?

Die Idee zu diesem Film kam vom Sender, aber tatsächlich aufgrund des steigenden Antisemitismus an Schulen. Das besonders Tragische dort ist ja, dass Kinder, die gemobbt werden – ob antisemitisch oder in anderer Art und Weise –, der Schulgemeinschaft ausgesetzt sind und meistens auch bleiben. Sie können dem kaum aus dem Weg gehen.

Ist das Thema unter Jugendlichen denn im Moment besonders präsent?

Ja. Als mein Umfeld, Bekannte und Freunde, mitbekommen hat, dass ich zu dem Thema einen Film vorbereite, habe ich von so vielen Seiten Informationen bekommen, dass ich selbst überrascht war. Jeder kannte jemanden, der mit Antisemitismus schon zu tun hatte – wenn er nicht sogar selbst betroffen war. Ich war erschrocken, wie viele Fälle es gerade an Schulen gibt. Das war mir so auch nicht bewusst.

Basiert Ihr Film auf einem realen Fall?

Die Idee zum Film, ja. Vor einigen Jahren wurde ein Schüler an einer Gemeinschaftsschule in Berlin-Friedenau schwer antisemitisch gemobbt. Das ging damals durch die Medien. Das war die Ausgangslage für unsere Geschichte.

Haben Sie selbst Erfahrungen mit Antisemitismus?

Nein, ich selbst habe niemals antisemitisches Mobbing erfahren.

Vor allem muslimische Mitschüler agieren antisemitisch. Ist das auch Ergebnis Ihrer Recherchen?

Natürlich, ja. Das basiert auf meinen Recherchen. Mir geht es allerdings nicht darum, mit dem Finger auf muslimische Jugendliche zu zeigen. Es gibt auch deutsche Kinder in der Klasse, die nicht nett sind zu Max. Aber es gibt diese neue Form des Antisemitismus, der aus dem arabischen Raum kommt und sich rasant ausbreitet. Jüdische Eltern würden ihre Kinder zum Beispiel in Berlin-Neukölln nicht mit einem guten Gefühl auf eine „normale“ Schule schicken. Das ist ein Fakt. Die Gesellschaft verschließt leider die Augen und geht nicht energisch genug dagegen vor.

Ist das ein Grund für Sie gewesen, diesen Film zu machen?

Auf jeden Fall. Ich möchte der schweigenden Mehrheit einen Spiegel vorhalten. Ich klage nicht an, aber ich erzähle das, was ist. Und dazu gehören zum Beispiel auch überforderte Lehrer, hilflose Schulleiter und andere Eltern, die nicht hinschauen wollen. Es gibt kein gemeinsames Aufstehen gegen Antisemitismus an Schulen.

Haben Sie dafür eine Erklärung gefunden?

Zum einen spielt schlichtes Desinteresse eine Rolle. Den Kindern und auch der Kultur gegenüber, nach dem Motto: Da sind ein oder zwei jüdische Schüler auf der Schule –wen kümmert’s? Das geht einher mit fehlender Empathie. Ich spüre aber bei vielen, auch im Schulapparat, einen regelrechten Unwillen, helfen zu wollen. Es gibt andererseits viele tolle und sehr engagierte Lehrer in Deutschland, die aktiv gegen Mobbing und Antisemitismus vorgehen.

Ohne zu viel zu verraten: Ihr Film hat ein durchaus versöhnliches Ende, man muss in den 90 Minuten oft lachen. War Ihnen das als Botschaft wichtig?

Ja, ich wollte am Ende einen Ausblick geben, Hoffnung machen, die Zuschauer mit einem lachenden Auge aus dem Film lassen. Sonst wäre es nur eine Anklage. Und das wollte ich nicht. Ich möchte anregen, aufrütteln und zum Reden bringen.

Das Gespräch führte Stefanie Thyssen.

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