„Wir sitzen alle in der Todeszelle“

von Redaktion

INTERVIEW Matthias Habich über das TV-Experiment „Gott“ zum Thema Sterbehilfe, das die ARD Montag zeigt

Matthias Habich ist die Traumbesetzung für den Herrn Gärtner in der Verfilmung von Ferdinand von Schirachs Stück „Gott“, die die ARD an diesem Montag um 20.15 Uhr zeigt. Der 80-Jährige bringt die Verzweiflung des Witwers, der sterben möchte, rüber. Ein Gespräch über Respekt vor dem Tod – und die Lust am Leben.

Herr Habich, Sterbehilfe ja oder nein – was für eine Frage! Als Zuschauer ist man ständig hin- und hergerissen, auf wessen Seite man sich schlagen soll. Mal ist man auf der des Bischofs, dann denkt man: Der Arzt hat recht! Ging es Ihnen auch so?

Ganz genau. Das nennt man Meinungsbildung. Das trägt zur Aufklärung der Menschen bei. Jeder muss seine eigene Meinung bilden, aber die muss fundiert sein.

Dafür muss man die Argumente kennen. Etwa das des Bischofs, der sagt, es gehe allen einzig darum, das Leben möglichst selbstbestimmt und leicht zu leben. Es sei aber nicht leicht, wir könnten nicht immer den für uns einfachsten Weg wählen. Hat er recht?

Na ja, hundertprozentige Selbstbestimmung gibt es ja gar nicht. Wir hängen alle voneinander ab. Und von unseren Genen. Der Bischof sagt, das Leben sei ein Leidensweg. Doch es ist auch Freude! Man muss ja die Sterbehilfe nicht in Anspruch nehmen, aber dass sie im Extremfall zur Verfügung steht, ist eine Beruhigung. Das ist wie wenn man sich eine Schlaftablette auf den Nachttisch legt – da schläft man schon, weil man beruhigt ist. Sind Sie christlich?

Ja, evangelisch.

Evangelisch, ich auch. Aber im Laufe des Lebens löst man sich von den kirchlichen Kodexen und hat ein eigenes Bild von Gott oder von dem Geist, der uns alle irgendwie zusammenhält. Die Kirche hat da für mich keine große Bedeutung mehr.

Der Bischof argumentiert, dass das Leben ein Gottesgeschenk sei, das man nicht zurückgeben dürfe.

Eine Überzeugung, die bei mir klaustrophobische Gefühle weckt. Ich glaube, es gibt viele Mitmenschen, die einfach nicht mehr leben wollen, weil ihre seelischen Schmerzen zu groß sind. Wenn Sie auf der heißen Herdplatte säßen, drei Jahre lang, würden Sie auch einen Ausweg suchen. Soll man diese Menschen, die seelisch so leiden, jahrelang am Spieß zappeln lassen? Ich finde die Überlegung, dass man jemanden überreden soll, weiterzuleben, bedenklich.

Nun sind Sie selbst dieses Jahr 80 geworden. Wie ist es für Sie, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen?

Was wollen Sie damit sagen? Haben Sie kein Lebensende vor sich?

Freilich, klar.

Jeder von uns. Ich hatte schon Angst vorm Tod, als ich zwölf war.

Sie begleitet die Angst vor dem Tod ein Leben lang?

Nicht täglich, ich bin ein großer Verdränger – wie wir alle. Wir sitzen alle in der Todeszelle, irgendwann kommt der Henker mit den Schlüsseln. In meinem Alter hört man die Schlüssel schon klappern, aber das geht uns doch allen so. Gut, dass bei mir das Ende jetzt irgendwie absehbarer ist, das versuche ich durch bewusstes Leben der Gegenwart draußen zu halten.

Sie scheinen tatsächlich große Lust am Leben zu haben.

Ja, ausgesprochen. Wenn ich sehe, wie schön die Natur ist oder wie schön es ist, ein Buch zu lesen, wie wunderbar es ist, Musik zu hören oder sich zu unterhalten, wie der Wein schmeckt und was er auslöst – es gibt so viele Gründe, gerne zu leben.

Leider gibt es Menschen, die das nicht sehen und sich nur aufs Negative fokussieren.

Ja, die sind stumpf. Sie nehmen das Buch erst gar nicht in die Hand, sie gehen nicht ins Konzert oder was immer. Sie sehen die Anregungen nicht. Sie suchen sie nicht.

Das Gespräch führte Katja Kraft.

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