Die Aufbaujahre im Film

von Redaktion

Das ZDF zeigt eine Dokumentation mit Schätzen aus privaten Archiven

VON RUDOLF OGIERMANN

Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg -– das Land liegt noch in Trümmern, doch auf die Depression, die Not und die Trauer folgt Aufbruchstimmung. Es muss ja irgendwie weitergehen. Die Menschen richten sich in Provisorien ein, die nicht lange Provisorien bleiben. Schnell wird repariert, was zu reparieren ist, und Neues geschaffen. Erstaunlich viele private Filmaufnahmen aus dieser Zeit gibt es, obwohl Material knapp und teuer war. Für seine ZDF-Dokumentation „Wir bauen auf! – Privatfilme aus der Nachkriegszeit“, zu sehen heute um 20.15 Uhr im ZDF, hat Jörg Müllner erneut in Stadtarchiven und privaten Filmsammlungen gestöbert und wahre Schätze gehoben. Sie erzählen Geschichten von Menschen, die ihren Alltag in der Nachkriegszeit in Ost und West auf Zelluloid festhielten.

In Bad Reichenhall beispielsweise bringt Hilde Mayer das Kurhotel Fürstenbad wieder in Schwung. Eigentlich sollte der Bruder den elterlichen Betrieb übernehmen, doch er kehrt nicht aus dem Krieg zurück – und so ergreift die junge Frau ihre Chance. Hilde Mayer ist begeisterte Hobbyfilmerin. Auf den Streifen zu sehen ist neben Sohn Ekkehard immer wieder auch eine andere Frau – Maria Grünberger. Die beiden verbindet, dass sie alleinerziehend sind und etwa gleichaltrige Kinder haben. Gemeinsam packen sie an und schreiben in der Kleinstadt im Berchtesgadener Land eine Erfolgsgeschichte, zu einer Zeit, in der Frauen als Unternehmerinnen noch die Ausnahme sind.

Auch Johann Peter Mettenleiter aus Stuttgart lässt sich nicht entmutigen. Der 55-Jährige beseitigt zusammen mit seiner Frau Theresia und mit der Hilfe der herbeigerufenen Verwandtschaft die Trümmer seiner bei einem Bombenangriff im Jahr 1944 zerstörten Konditorei. Er ist fest entschlossen, das Geschäft – Filmaufnahmen zeigen es vor dem Krieg im Jahr 1936 – so schnell wie möglich wiederaufzubauen. Und tatsächlich – am 19. Mai 1948 feiert Familie Mettenleiter die Wiedereröffnung des Cafés in einem neuen Gebäude.

ZDF-Autor Müllner – er produzierte nach dem gleichen Prinzip zuvor unter anderem die Dokus „Wir im Krieg“ und „Kinder im Krieg“ – zeigt auch private Filmaufnahmen, die zu Zeitdokumenten geworden sind. So hält der gelernte Kameramann Ernst Hirsch aus Dresden den Wiederaufbau seiner Heimatstadt fest, seine Sammlung ist einer der größten ihrer Art. Schon während seiner Lehrzeit filmt er den Wiederaufbau des Zwingers und – viel später – die Rekonstruktion der Frauenkirche. Unternehmer Günther Hornung und seine Frau haben – auch das gab es – den Krieg unbeschadet überstanden, ihre Familienfilme zeugen vom Wohlstand. Eine ihrer Reisen führt das Ehepaar im Jahr 1951 nach Berchtesgaden zu den Ruinen von Hitlers ehemaligem Berghof. Hornung nutzt eine der letzten Gelegenheiten, die Gebäude, die bald danach gesprengt werden, auf Zelluloid festzuhalten.

Wissenschaftler wie die Historikerin Ute Frevert, der Filmwissenschaftler Peter Stettner und der Sozialpsychologe Harald Welzer kommentieren die Aufnahmen, zu Wort kommen außerdem die Nachfahren der Hobbyfilmer. Sie berichten von den Menschen, deren Zeugnisse den Zuschauern eine Zeit nahebringen, die vielen Deutschen im Rückblick wie ein Wunder erscheint.

Artikel 2 von 2