Ob Florian Silbereisen, Helene Fischer oder Tim Mälzer –in der neuen Comedyshow „Binge Reloaded“, die morgen beim Streamingdienst Amazon Prime startet, bekommen viele Fernsehpromis ihr Fett weg. Parodiert werden sie unter anderen von Michael Kessler (53), den man noch aus „Switch“ und „Switch reloaded“ auf Pro Sieben kennt.
Wie finden Sie eigentlich Florian Silbereisen?
Der macht erfolgreiches Fernsehen und unterhält viele Menschen sehr gut. Mich aber nicht.
Sie haben Silbereisen schon früher in „Switch“ parodiert. Sie müssen ihn gut studiert haben …
Kann man so sagen, und er hat sich in all den Jahren sehr stark verändert, finde ich. Er hat keine gefärbten Haare mehr, die geschmacklosen Anzüge sind weg, er ist tätowiert und geht in die Muckibude. Außerdem ist er nicht mehr so aufgedreht.
Haben Sie ihn mal getroffen?
Ich war mal vor Jahren mit ihm in einer Talkshow, wo er gesagt hat, dass er meine Parodie lustig findet. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob er es wirklich immer so lustig fand, wie ich ihn auf die Schippe genommen habe. Es gab dann auch mal die Idee, dass ich in seine Sendung komme, wo so eine Art Verbrüderung zwischen ihm und der von mir gespielten Figur stattfinden sollte. Das habe ich aber abgelehnt, weil es eine Verbrüderung zwischen Original und Parodist nicht geben darf, das wäre gegenüber dem Zuschauer nicht okay.
Was braucht ein guter Parodist?
In erster Linie ein scharfes Auge. Ich muss genau schauen, wie jemand redet, wie er sich bewegt, was seine Eigenarten sind. Das ist beim einen einfacher und beim anderen schwieriger. Je schillernder oder skurriler eine Persönlichkeit ist, desto mehr Material habe ich, aus dem ich schöpfen kann.
Sie haben neben Florian Silbereisen schon Horst Lichter oder Peter Kloeppel parodiert, in der neuen Show kommt Rea Garvey dazu. Können Sie eine Figur auf Knopfdruck abrufen, wenn Sie sie eingeübt haben?
Absolut, das funktioniert von einer Sekunde auf die andere. Das ist vor allem bei Figuren, die ich schon lange parodiere, überhaupt kein Problem.
Ihr langjähriger „Switch“-Kollege Bernhard Hoëcker hat sich vor Kurzem für frühere Parodien entschuldigt, bei denen er mit Blackfacing gearbeitet hat …
Ich bin zwar auch der Ansicht, dass sich Weiße nicht unbedingt schwarz anmalen müssen. Wir geraten bei dieser Diskussion aber so langsam in einen schwierigen Bereich und müssen aufpassen, dass da nichts übertrieben wird. Wir Comedians machen Parodie, Sketche und Quatsch, wir verkleiden uns als Politiker, Prominente und was weiß ich nicht alles. Wir dürfen nicht vergessen: Bei Parodien und in der Satire sind auch Dinge erlaubt, die sonst nicht gestattet sind. Wenn man uns das jetzt wegnimmt, dann haben wir ein ganz großes Problem, denn dann dürfen wir uns über ganz vieles nicht mehr lustig machen.
Würden Sie so weit gehen zu sagen, die Freiheit der Kunst sei gefährdet?
So sehe ich das. Wir müssen diese Freiheit als Künstler auch weiterhin haben. Wenn wir künftig nur noch mit Sagrotan gereinigte Sketche abliefern dürfen, dann ist das der Tod von Satire und Parodie.
Was kann man dagegen tun?
Wir dürfen uns den Mund nicht verbieten lassen. Außerdem empfehle ich so manchen Zeitgenossen dringend, sich mal zu entspannen. Ich bin absolut dafür, dass Minderheiten toleriert und auch beschützt werden. Wir leben in einem freien Land, aber zu dieser Freiheit gehört auch, dass wir Spaß machen dürfen. Wir dürfen den Humor nicht verlieren.
Das Gespräch führte Martin Weber.