„In Bayern ist die Mafia-Dichte sehr hoch“

von Redaktion

Vor dem zweiten Teil der „Tatort“-Doppelfolge – Experte Sandro Mattioli über Organisierte Kriminalität

VON STEFANIE THYSSEN

Eine kleine, unscheinbare Pizzeria in Dortmund als Umschlagplatz für Drogengeschäfte. Ein durchschnittlicher italienischer Wirt und Familienvater, der seine Frau umbringt. Und die kalabrische Mafia, die hinter all dem steckt und vor allem daran verdient – darum drehte sich die erste Folge des Jubiläums-„Tatorts“ vergangene Woche. An diesem Sonntag läuft der zweite Teil. Er spielt in München – und die Mafia treibt ihr Unwesen hier weiter.

Sandro Mattioli hat sich für unsere Zeitung beide Folgen angeschaut. Er ist Journalist, Mafia-Experte und Vorsitzender des Vereins „Mafianeindanke“, der auch einen Sitz in München hat. Sein Fazit? „Ich finde beide Filme insgesamt sehr gelungen.“ Vor allem habe er viele Details wiedererkannt, „bezüglich der Figuren und der Inhalte“.

Mattioli engagiert sich seit vielen Jahren gegen die Mafia. „Für mich ist die Mafia organisierte Ungerechtigkeit“, sagt er, wenn man ihn nach seiner Motivation fragt. „Und ich kann Ungerechtigkeit nicht ertragen.“ Er sehe, wie sich die Organisierte Kriminalität in Norditalien ausbreite – wo man sie lange nicht verortet hat. „Aus manchen Geschäftszweigen bekommt man die Clans dort gar nicht mehr raus. Ich will vermeiden, dass wir in Deutschland in eine ähnliche Situation kommen.“

Wer den „Tatort“ gesehen hat, dürfte sich beim nächsten Restaurantbesuch beziehungsweise bei der nächsten Pizza, die er sich holt, allerdings auch eine ganz konkrete Frage stellen: Hat „mein“ Italiener um die Ecke etwas mit der Mafia zu tun? „In Bayern ist die Mafia-Dichte besonders hoch“, so Mattioli. Und ein Fünftel aller Restaurants in der Landeshauptstadt, schätzt der in Heilbronn geborene Deutsch-Italiener, stünden mit der Mafia in irgendeiner Verbindung.

Und kann man als Kunde erkennen, wer dazugehört und wer nicht? „Nein“, sagt Mattioli. „Grundsätzlich ist es nicht zu erkennen.“ Es gebe aber natürlich diese Restaurants, in denen niemals jemand sitze, die sich dennoch seit Jahren hielten: „Da kann man sich denken, dass deren Hauptzweck nicht unbedingt das Verdienen von Geld ist, sondern vielleicht eher das Waschen von Geld. Aber Mafiosi besitzen auch sehr gut laufende Lokale.“ Der Experte macht sich dafür stark, dass bei Gaststätten – ganz unabhängig, welcher Nationalität der Wirt ist (auch Deutsche machen Geschäfte mit der Organisierten Kriminalität) – der Name des Inhabers auf der Speisekarte steht und dass vermerkt ist, wer der Besitzer der Immobilie ist: „Einfach, um mehr Transparenz reinzubringen.“

Dass italienische Restaurants oft in einem Atemzug mit der Mafia und ihren kriminellen Geschäften genannt werden, ist Sandro Mattioli übrigens gar nicht so recht – auch, weil in diesem Bereich nicht (!) die größten Geldmengen „verarbeitet“ würden. „Die Mafia ist in viel weitergehenden Sphären aktiv“, sagt er. „Da werden Immobilien gekauft, die ein paar Millionen kosten, da wird mit Unternehmensanteilen gehandelt oder, wenn in Fonds investiert wird, kann das auch alles Geldwäsche sein.“ Da gehe es dann um ganz andere Summen als in den Restaurants, auch schon mal um solche im Milliardenbereich.

„Die Mafia, und hier speziell die ’Ndrangheta als größte Organisation, ist eine komplexe, weltweit agierende Organisation“, sagt Mattioli. „Es wäre wichtig, dass Deutschland anfängt, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen und vor allem dagegen zu kämpfen.“

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