Lange stand er er im Schatten der Polittalks von „Anne Will“ bis „Maybrit Illner“, doch inzwischen ist ZDF-Mann Markus Lanz mit seiner gleichnamigen Gesprächsrunde eine echte Größe im deutschen Fernsehen. Was sich auch am Publikumsinteresse zeigt. Im Schnitt schalteten jede seiner Talkshows rund 20 Prozent mehr Menschen ein als im vergangenen Jahr, wie der Mainzer Sender mitteilt. Etwa 1,8 Millionen waren es durchschnittlich bei jeder der mehr als 130 Ausgaben 2020, die am späten Dienstag, Mittwoch und Donnerstag ausgestrahlt werden. Damit gehört der 51-Jährige zu den Aufsteigern des Jahres.
Und nicht nur mehr Zuschauerzuspruch erhielt der in Bruneck (Südtirol) geborene Moderator, auch das Feuilleton entdeckte plötzlich seine Liebe zu Lanz. Die Branchenzeitschrift „Medium Magazin“ kürte Lanz gar zu einem der Journalisten des Jahres – und zwar in der Kategorie „Unterhaltung“. Lange Zeit galt er vielen Kritikern als zu glatt und zu geschniegelt und außerdem als „Wetten, dass…?“-Mörder.
Das änderte sich 2020 fast schlagartig. „Das Irritierende“ an Lanz, konstatierte im Sommer die linke Tageszeitung „taz“, sei, „dass er wirklich politisch informiert und interessiert ist, aber weitgehend unideologisch“. Er frage ohne eigene Agenda, sagt auch der Schriftsteller Maxim Biller, der zu den Ersten gehörte, die ihn öffentlich gut fanden. Der Branchendienst DWDL nannte ihn den „stetigen Fragensteller der Nation“. Politiker hätten es bei Lanz nicht immer leicht, „weil sie sich nicht in ihre gelernten Plattitüden flüchten können“. Sogar der „Spiegel“ lobte Lanz bezüglich seines Interviews mit dem amerikanischen Ex–Präsidenten Barack Obama: „Tief anfliegen, weiche Fragen stellen, menscheln, das zusehends entspannte Opfer einlullen – und dann zuschlagen.“
In einem Interview erläuterte der Talker, wie sich seine Gesprächsrunde mit Corona verändert habe. Das Studiopublikum, auf das bis heute verzichtet wird, habe ihm „am Anfang sehr gefehlt“. Das habe jedoch auch Vorteile. Die Gäste seien „konzentrierter“. „Und sie geraten nicht in Versuchung, den einen oder anderen populistischen Ausfallschritt zu machen. Denn da klatscht jetzt keiner mehr.“ Das Bemühen ums gute Argument werde stärker.
SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach war (allerdings nicht nur bei Lanz) sehr regelmäßig im Studio zu Gast, was vielen auffiel und manchen ärgerte, insgesamt kam er laut ZDF auf den zweiten Platz im Ranking der Gäste. Mit großem Abstand auf Platz eins war – wegen häufiger Schaltgespräche vor der Präsidentschaftswahl in den USA – der Korrespondent Elmar Theveßen, der Leiter des ZDF-Studios in Washington. Rang drei teilen sich die Virologin Melanie Brinkmann und ihr Fachkollege Martin Stürmer, dahinter kamen der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit, der „Welt“-Journalist Robin Alexander, der Physiker Dirk Brockmann, Virologe Alexander Kekulé, Hamburgs Erster Bürgermeister, der Mediziner Peter Tschentscher (SPD), und der Virologe Hendrik Streeck. In Erinnerung blieb vielen Zuschauern auch Tim Mälzers Gefühlsausbruch bei Lanz wegen der Gastronomieschließung – so hatte den Fernsehkoch noch keiner erlebt.
„Dieses Jahr war und ist vor allem die Zeit der Wissenschaftler und des Wissenschaftsjournalismus“, konstatiert Markus Lanz vor seiner letzten Sendung im alten Jahr morgen um 23.15 Uhr. „Daher lag unser Hauptaugenmerk darauf, die Entwicklungen, die das Virus in unserer Gesellschaft auslöst, in wichtigen Aspekten zu hinterfragen. Dazu braucht es erst recht in dieser so schwierigen Zeit echte und intensive Gespräche, damit wir unseren Zuschauern am späten Abend verlässliche Einschätzungen und Orientierung bieten können. An diesem Anspruch wollen wir uns auch weiterhin messen lassen.“