Ein „Déjà-vu“, das Gefühl, das alles schon einmal gesehen und gehört zu haben, hatten die Zuschauer des öffentlich-rechtlichen Fernsehens mit Blick auf die abendlichen Polittalkshows sicher schon öfter. Doch noch nie, seit es die Diskussionsrunden gibt, hat ein Thema sie so dominiert wie Corona. Das geht aus einer aktuellen Analyse des Medienmagazins „Meedia“ hervor. Insgesamt 66 der 106 Sendungen von „Anne Will“, „Hart aber fair“ (beide ARD) und „Maybrit Illner“ (ZDF) in diesem Jahr beschäftigten sich mit der Pandemie und ihren Folgen, nur 40 nicht. Und aus dieser Zahl stach nur ein weiteres Thema heraus – die Wahl in den USA mit immerhin acht Sendungen. Nur auf Platz drei kam das Topthema des vergangenen Jahres, der Klimawandel. Keine Rolle für die Auswertung spielte in dieser Hinsicht heuer das Format „Maischberger – Die Woche“ (ARD) das im vergangenen Jahr auf ein multithematisches Konzept umgestellt wurde.
Die Konzentration der Redaktionen aufs Thema Corona hat laut Meedia auch die Gästeliste insgesamt kürzer werden lassen, mit der Folge, dass weniger Personal mehr Auftritte hatte. Zwei Bundesminister, ein Ministerpräsident und ein Politiker, der zugleich Experte ist, gaben sich praktisch die Klinke in die Hand. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und SPD-Mann Karl Lauterbach sind mit je 14 Auftritten die Talkshowkönige dieses Jahres, dahinter folgen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bayerns Landesvater Markus Söder (CSU) mit jeweils elf. Im vergangenen Jahr hatte es Grünen-Chefin Annalena Baerbock mit „nur“ zehn Einladungen noch an die Spitze geschafft, in diesem Jahr kommt sie mit ebenfalls zehn Auftritten auf Platz fünf.
Zwei weitere Ministerpräsidenten teilen sich Platz sechs, Armin Laschet (CDU) aus Nordrhein-Westfalen und Malu Dreyer (SPD) aus Rheinland-Pfalz mit jeweils neun Teilnahmen. Die Berliner Regierungsparteien bestimmten das Bild, kein anderer Oppositionspolitiker außer der Grünen Baerbock schaffte es in die Top Ten. Sahra Wagenknecht (Linke) und Christian Lindner (FDP) teilen sich mit jeweils neun Einladungen Platz zwölf. Ein AfD-Politiker schaffte es nicht unter die ersten 30, nur sechsmal wurde überhaupt ein Vertreter dieser Partei eingeladen. Die CDU/CSU kam auf 94 Auftritte, es folgen SPD (83), Grüne (32), FDP (28) und Linke (19).
Wenig überraschend ist die hohe Zahl von Wissenschaftlern auf der Liste. Spitzenreiter Jonas Schmidt-Chanasit brachte es auf neun Teilnahmen, Melanie Brinkmann auf acht, Alexander Kekulé und Hendrik Streeck auf jeweils sieben. Ausschließlich bei Maybrit Illner zu Gast war Christian Drosten, und zwar insgesamt viermal.
Die Talkerinnen und Talker hatten, wie „Meedia“ herausfand, durchaus ihre Lieblingsgäste, so durfte Olaf Scholz sechsmal bei Anne Will Platz nehmen, Karl Lauterbach war bei Frank Plasberg und bei Sandra Maischberger jeweils fünfmal, Jonas Schmidt-Chanasit durfte siebenmal bei Maybrit Illner Rede und Antwort stehen.
Immer häufiger in den Runden vertreten sind Journalisten, heuer mit Blick auf die Pandemie vor allem Wissenschaftsjournalisten. Christina Berndt („SZ“) und Ranga Yogeshwar waren jeweils siebenmal dabei, Nikolaus Blome (früher „Bild“, jetzt RTL) brachte es als Drittplatzierter auf fünf Auftritte. Es folgen Cerstin Gammelin („SZ“) und Robin Alexander („Welt“) mit jeweils vier Teilnahmen.
Extra ausgewertet wurden heuer die Gästelisten von „Markus Lanz“ (ZDF), der gleich dreimal wöchentlich zum Gespräch bittet. Hinter Elmar Theveßen, der insgesamt 26 Mal aus Washington zugeschaltet wurde, schaffte es auch hier Karl Lauterbach ganz nach vorne. Nicht weniger als 17 Mal durfte er bei Lanz zu Corona reden.