Es soll Schauspieler geben, deren Traum es ist, ihr Künstlerleben mit dem Bühnentod zu beenden. „Ich nicht“, sagt Hermann Giefer aus tiefster Überzeugung. Der Charakterkopf aus Mittenwald (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) liebt zwar das Drama, aber er weiß, wann es Zeit ist abzutreten – nämlich jetzt. Giefer, der am kommenden Montag seinen 74. Geburtstag feiert, drückt es so aus: „Ich glaube, ich möchte einfach kürzertreten.“
Doch es soll ein Abschied auf Raten werden. Heute Abend ist Giefer zum letzten Mal in der BR-Serie „Dahoam is dahoam“ als Martin Kirchleitner zu sehen – vorerst. Denn der Braumeister aus Lansing stirbt eben nicht den klassischen Filmtod. Er zieht sich auf eine Hütte am See zurück. Dort spricht der einzelgängerische Privatier noch einmal mit Hubert Kirchleitner (Bernhard Ulrich), seinem bisherigen Geschäftspartner, über die Zukunft der Brauerei – Klappe, aus, das war’s.
Oder wenigstens so gut wie. Der Geist von Martin Kirchleitner schwebt weiter durch Lansing. „Für die Zuschauer bin ich nach wie vor Bestandteil der Familie“, betont Giefer. Ab und an soll er bei ihr vorbeischauen. So zumindest sieht es das Drehbuch vor. Doch für das ergraute Mannsbild aus dem oberen Isartal gibt es kein Zurück mehr. „Ich glaube nicht, dass ich noch einmal schwach werde, ich stehe hinter meiner Entscheidung und genieße es.“
Hört sich irgendwie doch nach Schlussstrich an. Einer, der lange geplant und wohl- überlegt war. Vor etwa drei Jahren bereits merkte der sechsfache Opa, dass die knallharte Akkordarbeit beim Dreh für eine tägliche Serie – von Dienstag bis Freitag von 8 bis 19.15 Uhr – langsam zu viel wird. Giefer bat um Reduzierung seiner Auftritte. Von nun an gab es pro Folge nur noch 60 Prozent Martin Kirchleitner.
Eine Rolle, die der Mittenwalder seit 2008 gewohnt kraftvoll, bisweilen melancholisch vor einem treuen Millionenpublikum verkörperte. Und der einstige Old-Shatterhand-Darsteller von Bad Segeberg zeigte sich stets dankbar, auf der Zielgeraden seines Berufslebens einen sicheren und gut dotierten Job zu ergattern – in der Film- und Fernsehwelt, in der mit jeder Falte mehr gnadenlos ausgesiebt wird, keine Selbstverständlichkeit.
Als vor wenigen Tagen in dem fiktiven Ort Lansing – in Wirklichkeit das Gelände einer ehemaligen Fabrik bei Dachau – die letzte Szene mit Hermann Giefer alias Martin Kirchleitner abgedreht war, wurde es natürlich sentimental. Die Crew klatschte, die Kollegen überreichten Geschenke, der eine oder andere vergoss Tränen. Kein Wunder, findet der künftige TV-Rentner. „Es haben sich Freundschaften gebildet.“
Gerade mit Fernseh- und Brauereipartner Bernhard Ulrich ist etwas Tieferes entstanden. Oft besucht der den älteren Kollegen in Mittenwald. Auf Giefers 3500 Quadratmeter großen Bergwiese blicken die beiden hinüber aufs mächtige Karwendel, trinken ein Glaserl Roten und philosophieren über Gott und die Welt. Doch während Ulrich regelrecht vom Fernweh getrieben ist, genießt Giefer die Zeit mit seiner Sofie, mit der er seit 51 Jahren glücklich verheiratet ist, zu Hause im schmucken Eigenheim und seinen geliebten Bergen. Oder fährt mit seiner Vespa über die Landstraße.
Auch der Wohnwagen, der ihm acht Jahre lang in Lansing sozusagen zur zweiten Heimat geworden war, steht wieder dort, wo er hingehört – in Mittenwald. Viel braucht der bodenständige Giefer nicht, um glücklich zu sein: „Einen Apfel, eine Flasche Wasser und hinauf auf unsere Wiese – mehr nicht.“ Und wenn er dort oben in die Ferne blickt und den neugewonnenen Müßiggang genießt, dann hat er sich schon öfters gefragt: „Warum habe ich mir dieses Leben nicht schon früher geleistet?“