Kerstin Held wirft so leicht nichts um. Sie behält die Nerven, wenn sich der dreijährige Jonathan mal wieder die Magensonde zieht. Spielt mit Max (6), der unter dem Fetalen Alkoholsyndrom leidet, und trainiert Kommunikation mit Richard, der als Autist kurz vor der Einschulung steht. Und auch Cora, die nicht nur mit Epilepsie und Spastiken, sondern mit der Pubertät zu kämpfen hat, schenkt sie täglich ihr offenes Ohr. Kerstin Held ist Pflegemutter von vier behinderten Kindern. Kinder, die ohne sie im Heim und nicht in einer Familie leben, und, ja, auch sterben würden. Die sehr berührende „37-Grad“-Reportage „Mama Held“ , die das ZDF heute um 22.15 Uhr zeigt, begleitet den Alltag einer Frau, die ihren Namen mehr als verdient hat.
Zwei Jahre lang war Filmemacherin Corinna Wirth immer wieder zu Gast bei dieser außergewöhnlichen Patchworkfamilie im Norden Deutschlands. Aus dem Material sind 30 Minuten Reportage geworden. Eine Dokumentation, die als Plädoyer für Menschlichkeit, Liebe und Fürsorge noch lange nachhallt. Denn das, was Kerstin Held tut, macht sie aus tiefster Überzeugung. „Auch schwer behinderte Kinder haben ein Recht auf Familie“, sagt sie. Eines, für das sie sich als Vorsitzende des Verbandes behinderter Pflegekinder starkmacht (siehe Kasten).
Ihren Familienalltag hat Held wie ein kleines Unternehmen organisiert. Schließlich muss die intensive medizinische Betreuung ihrer Schützlinge rund um die Uhr sichergestellt sein. Unterstützt von zwei professionellen Pflegekräften, versorgt sie die Kinder, schreibt Dienstpläne, verwaltet Gelder und kämpft sich durch den Behördendschungel, wenn es darum geht, Hilfsmittel zu beantragen. Vor allem aber ist sie Mama. Eine, die tröstet, lacht, motiviert und schlecht träumende Nachtwandler in ihrem Bett aufnimmt.
Es ist diese emotionale Nähe, die Kerstin Helds Kindern die Chance auf eine bessere Entwicklung gibt. Deshalb sieht man der Pflegemutter den Stolz auch an, als sie den achtjährigen Richard zur Einschulung begleitet. Bei seiner Geburt, in der Badewanne eines Bordells, hatte er 2,4 Promille Alkohol im Blut. Ärzte diagnostizierten das Fetale Alkoholsyndrom, später Autismus, und schätzten seine Lebenserwartung auf drei Jahre. Aber Richard ist genau wie seine Pflegemutter und die Geschwister ein Kämpfer. Eine Familie voller Helden eben.