Als der damalige US-Präsident Donald Trump 2019 zu einem Staatsbesuch in Großbritannien eintraf, hatte er bereits kurz nach der Ankunft schlechte Laune – zumindest las sich so ein Tweet, den er prompt absetzte. Er habe im Fernsehen die Nachrichten sehen wollen, aber nur einen einzigen US-Sender empfangen können. Und CNN, so befand Trump, habe er nach kurzer Zeit abschalten müssen, es sei voller „Fake News“ und überhaupt so negativ.
Tatsächlich war der Lieblingssender des Präsidenten, Fox News, im Vereinigten Königreich erst kurz zuvor eingestellt worden. Zu gering sei das Interesse des britischen Publikums, lautete die offizielle Begründung. Vorausgegangen war allerdings ein Konflikt mit der britischen Medienaufsichtsbehörde Office of Communications, kurz Ofcom. Die hatte gleich mehrere Verletzungen ihres Objektivitätsgebots durch den US-Sender bemängelt. Die Beobachter störten sich unter anderem an einem Bericht über das Einreiseverbot für Muslime in die USA, das Trump erlassen hatte. Demnach habe der Bericht zwar Personen gezeigt, die sich kritisch dazu äußerten. Diese habe der Fox-Moderator dann aber lächerlich gemacht, bevor er dann prominente Unterstützer Trumps interviewt habe. Er habe zudem seine enthusiastische Unterstützung für Trumps Politik deutlich gemacht.
Großbritannien gilt gemeinhin als Heimat der wohl brutalsten Boulevardzeitungen der Welt – die „Sun“ und die „Daily Mail“ seien exemplarisch genannt. Auf die Objektivität ihrer Fernsehnachrichten aber sind die Briten stolz. Doch nun könnte der Ton rauer werden, und zwar durch zwei neue Kanäle, die offenbar nach dem Vorbild von Fox News operieren wollen. Damit haben sie das Potenzial, nicht nur die Medienlandschaft, sondern erneut auch die Gesellschaft zu spalten – nachdem das Land den Streit um den Brexit gerade erst in einem neuen Gefühl der Zusammengehörigkeit während der Pandemie einigermaßen begraben hat.
Beide Kanäle, die im Frühjahr starten wollen, zielen wohl auf Publikum ab, das sich von den konventionellen Nachrichtenformaten abgewandt hat. Der eine, GB News, wird von einer internationalen Investorengruppe finanziert und beschäftigt offenbar zahlreiche ehemalige Mitarbeiter des Medienimperiums von Rupert Murdoch, dem auch Fox News gehört. Andrew Neil, in Großbritannien als gnadenloser Interviewer bekannt, soll ein Format zur besten Sendezeit bekommen. Der andere, News UK, kommt gleich direkt aus dem Murdoch-Reich und wird von David Rhodes geleitet, dem ehemaligen Vizepräsidenten von Fox News. Das Publikum will News UK als Streamingdienst erreichen – mit Sendungen, die auf starke Persönlichkeiten setzen, um Identifikationspotenzial mit dem Publikum aufzubauen.
Eine dieser Persönlichkeiten könnte Piers Morgan sein. Der in Großbritannien sehr populäre Moderator sorgte kürzlich für Aufregung, als er aufgebracht aus seiner eigenen Frühstücksfernsehsendung „Good Morning Britain“ stürmte. Zuvor war er mit dem Wettermoderator über das aufsehenerregende Interview von Prinz Harry und Meghan Markle aneinandergeraten. Morgan bezichtigte Markle in der laufenden Sendung unter anderem der Lüge. Kurz nach dem Eklat gab der Sender ITV die Trennung von Morgan bekannt. Nun scheinen sich die beiden neuen Kanäle um den profilierten Moderator zu streiten. Morgan wäre „ein riesiger Gewinn“ für GB News, sagte Andrew Neil der „New York Times“. Mit dem Murdoch-Imperium wiederum verbindet Morgan eine gemeinsame Vergangenheit – er arbeitete für die „Sun“ und gab später das Skandalblatt „News of the World“ heraus.
Es bleibt abzuwarten, ob die neuen Nachrichtenkanäle sich an das Objektivitätsgebot der Ofcom halten werden. Allerdings fällt ihr Start in eine Zeit, in der sich viele Medienschaffende in Großbritannien ohnehin um die Unabhängigkeit der Nachrichtenangebote sorgen. Nicht nur die kürzliche Berufung von Richard Sharp als neuer BBC-Chef wird kritisch gesehen, geht es hier doch um einen Mann, der einst mehr als 400 000 Pfund an die konservative Partei gespendet hat. Auch die Neutralität der Medienaufsichtsbehörde selbst steht für einige Beobachter in Frage. Als neuer Ofcom-Chef nämlich wird Paul Dacre gehandelt – ein Brexit-Hardliner, der zuletzt die oben genannte Boulevardzeitung „Daily Mail“ herausgegeben hat. Die „DM“ wiederum ist bekannt für ihre kritische Haltung zur BBC, die sie als „zu links“ einschätzt.
Es sind Entwicklungen, die so manche Medienschaffenden im Vereinigten Königreich aufgeschreckt haben. BBC-Moderator Clive Myrie nutzte jüngst eine Ansprache zu Ehren des verstorbenen Journalisten Harold Evans, um eindringlich zu warnen. Ohne eine starke, unabhängige Aufsicht riskiere Großbritannien eine toxische Medienlandschaft nach US-amerikanischem Vorbild, sagte er. Die Namen Paul Dacre oder Richard Sharp erwähnte er dabei nicht.