Er sei so überzeugt gewesen von der Aktie, er hätte dafür sogar „die eigene Großmutter verkauft“, sagt der für diesen Film interviewte Anleger Erhard Schuler. Dem echten Schuler entspricht in fiktionalen Sequenzen der Fahrer von Wirecard-Vorstandschef Markus Braun, der seinen Chef fragt, ob er sein Geld in Wirecard-Aktien investieren soll. „Machen Sie nur“, sagt – innerlich abwesend – der von Christoph Maria Herbst gespielte Braun. Doch er selbst und die Zuschauer wissen längst, dass das Unternehmen nicht mehr zu retten ist.
Begriffe wie „Luftbuchungen“, „Scheingeschäfte“ und „fingierte Verträge“ durchziehen das Dokudrama „Der große Fake – Die Wirecard-Story“, das, wie bereits berichtet, von heute an beim RTL-Streamingdienst TV Now zu sehen ist. Tricksereien also, mit denen die Verantwortlichen eine der größten Pleiten in der deutschen Finanzbranche verursacht haben. Mitte vergangenen Jahres meldete der Finanzdienstleister mit Sitz in Aschheim (Landkreis München) Insolvenz an. Der einstige Börsenliebling – am Boden.
Ein Konsortium von Journalisten unter Führung von Bettina Weiguny und Georg Meck von der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ hat seitdem in nur wenigen Monaten die Fakten recherchiert, aus denen Hanna und Raymond Ley (er führte auch Regie) ein Drehbuch machten. Im Mittelpunkt der von Ufa-Chef Nico Hofmann verantworteten Produktion stehen Markus Braun und Jan Marsalek (Franz Hartwig), der eine inzwischen in Untersuchungshaft, der andere auf der Flucht. Zwei Hasardeure, die glauben, die Größten zu sein, die mit der Formel „Global vernetzt statt national“ sich selbst und die gesamte Branche täuschen. Bis die „Financial Times“ kritische Fragen stellt und die von Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann (Götz Schubert) geforderte Sonderprüfung der Bilanzen dem Unternehmen endgültig den Todesstoß versetzt.
„Der große Fake“ ist einerseits ein Psychogramm der beiden Hauptakteure. Hier Braun, von der fiktiven Journalistin Maria Sager (Nina Kunzendorf) als „hochkriminell mit Stil“ charakterisiert. Dort Marsalek – viril, undurchsichtig, über Leichen gehend. Einer der zahlreichen Gesprächspartner der Filmemacher berichtet von der Einschüchterung von Journalisten: „Wirecard hat Leute bedroht – nachweislich.“
Andererseits zeigt dieser Film die Welt der Meetings mit gut angezogenen, oft Englisch sprechenden Managern, eine Welt, in der die Chefs wie in einer Art Gehirnwäsche vom ewigen Erfolg predigen. Manches ist fast unfreiwillig komisch, etwa wenn eine Delegation nach Südostasien reist, um nach den plötzlich unauffindbaren 1,9 Milliarden Euro zu fahnden und sich dort von einem nicht näher identifizierten einheimischen Banker beruhigen lassen muss: „Don’t worry, the money is there!“
Man muss als Zuschauer nicht bis ins Detail verstehen, womit Wirecard mit seinen zeitweise mehr als 5000 Mitarbeitern sein Geld verdiente. Mit, wie es ein Experte formuliert, hochriskanten Geschäften, die kein anderer Zahlungsdienstleister abzuwickeln bereit war? Mit Geldern aus illegalem Glücksspiel oder aus Pornografie im Netz? Es reicht, zu sehen, dass die Bilanzprüfung offensichtlich dadurch erschwert wurde, dass es „ganz schwierig war, Zahlen zu bekommen“. Die Macher bieten jede Menge Zeugen auf – Ex-Mitarbeiter, Aktionäre, Börsenexperten, ehemalige Geschäftspartner bis hinauf zu Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing. Von „komplizierten Strukturen“ ist da die Rede und von „Drittpartnern“, über die Deals gemacht wurden, wenn es für das jeweilige Land keine Banklizenz gab.
Die „Wirecard-Story“ ist nicht zuletzt eine subtile Abrechnung mit den Aufsichtsbehörden. Die Bafin, die Wirtschaftsprüfer, der Staat – „alle haben versagt“, sagt Privatanleger Schuler. Der Film solle die Zuschauer „sprachlos“ machen, wünscht sich Marc Lepetit, ausführender Produzent des Projekts. Und: „Es wäre schön, wenn wir sie dazu bringen könnten, die eigenen Erwartungen an Aktienkurse zu hinterfragen.“
„Der große Fake“
läuft am 22. April um 20.15 Uhr auch bei RTL.